Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1995) (1995)

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«Lieber in Zams im 
Hennenstall...» 
Auszug aus einem Gespräch mit 
Schwester Marzia 
Hans Brunhart 
Ins Kloster 
Ich war als junges Mädchen bei einer 
Familie, um in Haus und Stall zu hel 
fen. Dort hätte ich auch nähen lernen 
sollen. In der Stube lag ein dickes 
Buch. Das habe ich eines Sonntags 
genommen und drin gelesen. Da wa 
ren alle Klöster aufgeführt in Deutsch 
land und Österreich. Ich habe ein paar 
ausgesucht, die mir etwa passen könn 
ten. Da bin ich auch auf Zams ge- 
stossen und auf Reuthe. Ich glaube, es 
war nicht das Reuthe in Tirol, sondern 
im Württembergischen. Beide Klöster 
haben die gleichen Tätigkeiten aufge 
führt. Auf jeden Fall habe ich das Buch 
mitgenommen und sozusagen als an 
gehende Klosterfrau «gestohlen». Ich 
war damals knapp 18 Jahre alt. Darauf 
hat man mich gefragt, ob ich hüten 
helfen würde, weil die Buben fort wä 
ren. Dann hab ich das Buch mitge 
nommen und Briefpapier und habe 
draussen auf der Wiese nach Zams 
geschrieben und nach Reuthe. Ich 
habe mir gedacht: «Wer zuerst ant 
wortet, da geh ich hin.» Und Zams hat 
sofort geantwortet. 
Nach Balzers 
Da schickte man mich einfach. Die 
Schwester Silveria war dafür da und 
hat die Posten verteilt und gefragt, ob 
man sie annimmt. Eines Abends hat 
sie gesagt; «Ja, morgen, da kriegen Sie 
dann Ihre Stelle. Dann gehen Sie nach 
Balzers, nach Liechtenstein. Und da 
mögen Sie ja nicht hingehen.» Ich 
habe Liechtenstein ja gar nicht ge 
kannt und in meiner Jugend auch 
nicht gewusst, dass es das gibt. Wäh 
rend der Ausbildung zur Lehrerin hat 
eine Schwester im Unterricht gesagt: 
«Liechtenstein ist so klein, wenn man 
ein Petroleumfass ausschüttet, dann 
stinkt das ganze Land.» Ich habe dann 
gesagt, ich ginge nach Liechtenstein. 
Ich bin nach Feldkirch mit dem Zug 
gefahren. Von Feldkirch habe ich im 
Postauto bis Balzers nur noch ge 
weint, nicht, weil es mir nicht gefallen 
hätte, dieses Liechtenstein, sondern 
weil ich einfach Heimweh gehabt 
habe, Heimweh nach Zams, wo ich 
mich schon zu Hause gefühlt hatte. 
Ich hatte von Kindheit auf schon im 
mer gedacht: «Ich will ins Kloster ge 
hen», und habe dann den Eindruck 
gehabt, ich würde die grosse Gemein 
schaft in Zams wieder verlieren. 
Erste Tage in Balzers 
In Balzers waren damals vier Schwe 
stern im Alten Schulhaus. Ich habe 
immer noch geweint, da kam die 
Übungslehrerin, Schwester Theo 
frieda. Die hat gesagt: «Warum wei 
nen Sie denn? Sie haben doch jetzt ein 
so schönes Zimmer. Die Schwester 
Zita wird bei Ihnen sein, und es ist so 
schön da.» Darauf habe ich gesagt; 
«Ich wäre lieber in Zams im Hennen 
stall als hier.» 
Ich weiss noch genau, zu welchem 
Zeitpunkt das Heimweh weg war. Das 
war, sobald die Kinder gekommen 
sind, die erste Klasse. Und wenn die 
Kinder wieder weggewesen sind, war 
das Heimweh wieder da. Die Kinder 
waren so lebendig, und ich habe Kin 
der immer gern gehabt, schon vorher 
als Mädchen. Ich war einmal bei einer 
Familie mit fünf kleinen Kindern. 
Und die Kinder haben mich alle gern 
gehabt. 
Neues Lesebuch 
Ich habe im Auftrag des Landesschul 
rates ein Lesebuch für die erste Klasse 
verfasst. Bei der Abschlussprüfung 
für die Lehrbefähigung hatte ich die 
Aufgabe, die österreichische Lese 
fibel zu beurteilen. Pfarrer Frömmelt 
hat gefunden, wenn ich das österrei 
chische Lesebuch hätte beurteilen 
können, dann könne ich auch ein neu-
	        

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