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«Lieber in Zams im
Hennenstall...»
Auszug aus einem Gespräch mit
Schwester Marzia
Hans Brunhart
Ins Kloster
Ich war als junges Mädchen bei einer
Familie, um in Haus und Stall zu hel
fen. Dort hätte ich auch nähen lernen
sollen. In der Stube lag ein dickes
Buch. Das habe ich eines Sonntags
genommen und drin gelesen. Da wa
ren alle Klöster aufgeführt in Deutsch
land und Österreich. Ich habe ein paar
ausgesucht, die mir etwa passen könn
ten. Da bin ich auch auf Zams ge-
stossen und auf Reuthe. Ich glaube, es
war nicht das Reuthe in Tirol, sondern
im Württembergischen. Beide Klöster
haben die gleichen Tätigkeiten aufge
führt. Auf jeden Fall habe ich das Buch
mitgenommen und sozusagen als an
gehende Klosterfrau «gestohlen». Ich
war damals knapp 18 Jahre alt. Darauf
hat man mich gefragt, ob ich hüten
helfen würde, weil die Buben fort wä
ren. Dann hab ich das Buch mitge
nommen und Briefpapier und habe
draussen auf der Wiese nach Zams
geschrieben und nach Reuthe. Ich
habe mir gedacht: «Wer zuerst ant
wortet, da geh ich hin.» Und Zams hat
sofort geantwortet.
Nach Balzers
Da schickte man mich einfach. Die
Schwester Silveria war dafür da und
hat die Posten verteilt und gefragt, ob
man sie annimmt. Eines Abends hat
sie gesagt; «Ja, morgen, da kriegen Sie
dann Ihre Stelle. Dann gehen Sie nach
Balzers, nach Liechtenstein. Und da
mögen Sie ja nicht hingehen.» Ich
habe Liechtenstein ja gar nicht ge
kannt und in meiner Jugend auch
nicht gewusst, dass es das gibt. Wäh
rend der Ausbildung zur Lehrerin hat
eine Schwester im Unterricht gesagt:
«Liechtenstein ist so klein, wenn man
ein Petroleumfass ausschüttet, dann
stinkt das ganze Land.» Ich habe dann
gesagt, ich ginge nach Liechtenstein.
Ich bin nach Feldkirch mit dem Zug
gefahren. Von Feldkirch habe ich im
Postauto bis Balzers nur noch ge
weint, nicht, weil es mir nicht gefallen
hätte, dieses Liechtenstein, sondern
weil ich einfach Heimweh gehabt
habe, Heimweh nach Zams, wo ich
mich schon zu Hause gefühlt hatte.
Ich hatte von Kindheit auf schon im
mer gedacht: «Ich will ins Kloster ge
hen», und habe dann den Eindruck
gehabt, ich würde die grosse Gemein
schaft in Zams wieder verlieren.
Erste Tage in Balzers
In Balzers waren damals vier Schwe
stern im Alten Schulhaus. Ich habe
immer noch geweint, da kam die
Übungslehrerin, Schwester Theo
frieda. Die hat gesagt: «Warum wei
nen Sie denn? Sie haben doch jetzt ein
so schönes Zimmer. Die Schwester
Zita wird bei Ihnen sein, und es ist so
schön da.» Darauf habe ich gesagt;
«Ich wäre lieber in Zams im Hennen
stall als hier.»
Ich weiss noch genau, zu welchem
Zeitpunkt das Heimweh weg war. Das
war, sobald die Kinder gekommen
sind, die erste Klasse. Und wenn die
Kinder wieder weggewesen sind, war
das Heimweh wieder da. Die Kinder
waren so lebendig, und ich habe Kin
der immer gern gehabt, schon vorher
als Mädchen. Ich war einmal bei einer
Familie mit fünf kleinen Kindern.
Und die Kinder haben mich alle gern
gehabt.
Neues Lesebuch
Ich habe im Auftrag des Landesschul
rates ein Lesebuch für die erste Klasse
verfasst. Bei der Abschlussprüfung
für die Lehrbefähigung hatte ich die
Aufgabe, die österreichische Lese
fibel zu beurteilen. Pfarrer Frömmelt
hat gefunden, wenn ich das österrei
chische Lesebuch hätte beurteilen
können, dann könne ich auch ein neu-