26
werden. Dazu gehört auch die Freiga
be des Standortes der Fabrik, gleich
sam im Mittelpunkt des Dorfes, entge
gen der sonst üblichen Plazierung von
Industrien, nahe bei Kirche, Schule
und Gemeindeverwaltung, dem gei
stigen Zentrum des Ortes.
Neben der dafür notwendigen Infra
struktur aber gab Balzers, ich möchte
sagen, als Taufgeschenk die Qualitä
ten der Balzner Bevölkerung in ihre
entstehende Fabrik: Fleiss, Zielstre
bigkeit, Sparsamkeit, Solidität, ohne
die der Aufbau erfolglos geblieben
wäre.
Was brachte die Fabrik der Gemein
de? Das Wesentlichste war wohl Ar
beit in der Heimat, eine gesicherte
Arbeitszeit, ein garantiertes Einkom
men und, im Gegensatz zur landwirt
schaftlichen Tätigkeit, ein vom Wet
ter unabhängiger Erwerb.
Die Führung der Fabrik sah von Be
ginn an die Schwierigkeit, für die
technisch anspruchsvolle Entwick
lung und Produktion die geeigneten
Facharbeiter zu finden, die es im Dorf
praktisch nicht gab. Deshalb war als
vordringlichstes Vorhaben die Ausbil
dung von Lehrlingen in die Wege ge
leitet worden. In einer firmeneigenen
Lehrwerkstätte, ausgerüstet mit hoch
wertigen Werkzeugen und neuen Ma
schinen und unter der kundigen Lei
tung eines Meisters, konnten diese
Schwierigkeiten behoben werden.
Balzers wurde ein Musterbeispiel für
die Ausbildung junger Menschen. Die
Vielfältigkeit der Berufsziele war ein
zusätzlicher Anreiz und führte zu ei
nem überraschend grossen Interesse.
Verschiedenste Berufe wurden ange
strebt, wie zum Beispiel die des Me
chanikers, Feinmechanikers, Elektri
kers, Elektronikers, Laboranten, und
die vielfältigen Zweige für eine kauf
männische Tätigkeit. Dieses Aus
bildungsangebot war ein kühnes Un
ternehmen der Fabrikleitung, das zu
einem vollen Erfolg führte. Ein Lehr
brief von Balzers galt als Zeugnis für
Tüchtigkeit, Können und der Fähig
keit der Zusammenarbeit. Dies wurde
ein Beispiel für die Jugend im ganzen
Land. Neue Interessen wurden ge
weckt, sich durch eine gezielte Berufs
ausbildung dem Leben zu stellen. Wo
vorher irgendwelche Hemmungen
vorhanden waren, wurden diese weg
gespült. Die Schulen passten sich sehr
schnell den neuen Forderungen an.
Dies führte schliesslich zur Ausbil
dung über den Lehrabschluss hinaus,
zum Ingenieurstudium am Abend
technikum Vaduz und Neutechnikum
Buchs. Die Förderung durch Professor
Otto Seger und insbesondere durch
Christian Beusch (meinem Freund)
wurde zum Segen der Region.
Aus diesen veränderten Verhältnissen
heraus entwickelte sich eine erstaunli
che Aktivität für wissenschaftliche
und technische Studien. Dass der un
ternehmerische Drang, etwas Beson
deres zu leisten, eigene Ideen zu ver
wirklichen, so viel Entfaltung auslöste
und ein neues Lebensgefühl und Le
bensziel brachte, ist erstaunlich. Wie
durch einen frischen Frühlingswind
wurde seither verborgene und nicht
genutzte Kreativität entfacht. Liech
tenstein wurde ein strukturell völlig
neues Land mit einer Vielzahl kleiner
Unternehmungen und Industrien, so
dass es schon nach kurzer Zeit zu wirt
schaftlicher Bedeutung und Blüte
kam.
Die Gemeinde wurde zum Förderer
der Firma und das Unternehmen zum
wichtigen Bestandteil und Mäzen der
Gemeinde. Das beste Zeugnis dieser
Übereinstimmung der gemeinsamen
Interessen war der Ausspruch: «Ge
meinde und die Balzers AG seien eine
Familie». Aus der Armut entstand
Wohlstand für die gesamte Bevölke
rung.
Die über den Ortskern hinausgewach
senen Teile des Dorfes zeigen eine
Mischung der Balzner Einwohner
und der inzwischen angesiedelten
Fremden. Nirgends zeigt sich eine Ab
sonderung der einen von den anderen,
beide wurden zu einer homogenen
Dorfgemeinschaft, anders als dies so
häufig bei der Industrialisierung die
Folge ist.
Was die Firma herstellt, muss hier
nicht aufgezählt und ausgeführt wer
den. Jeder Balzner weiss, was in «sei
ner» Firma gefertigt wird.
Die Balzner Tugenden, Sorgfalt,
Fleiss, Sparsamkeit, mögen auch un
ter den neuen Verhältnissen der Wohl
habenheit immer das Leitbild bleiben.
Ich bin der festen Überzeugung, wenn
aus der Sorgfalt eine Gleichgültigkeit,
aus dem Fleiss eine Lässigkeit und aus
der Sparsamkeit eine Missachtung
des Erworbenen entstehen würde,
dann wäre der erstaunliche Erfolg der
letzten fünfzig Jahre bald zunichte.