Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1995) (1995)

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werden. Dazu gehört auch die Freiga 
be des Standortes der Fabrik, gleich 
sam im Mittelpunkt des Dorfes, entge 
gen der sonst üblichen Plazierung von 
Industrien, nahe bei Kirche, Schule 
und Gemeindeverwaltung, dem gei 
stigen Zentrum des Ortes. 
Neben der dafür notwendigen Infra 
struktur aber gab Balzers, ich möchte 
sagen, als Taufgeschenk die Qualitä 
ten der Balzner Bevölkerung in ihre 
entstehende Fabrik: Fleiss, Zielstre 
bigkeit, Sparsamkeit, Solidität, ohne 
die der Aufbau erfolglos geblieben 
wäre. 
Was brachte die Fabrik der Gemein 
de? Das Wesentlichste war wohl Ar 
beit in der Heimat, eine gesicherte 
Arbeitszeit, ein garantiertes Einkom 
men und, im Gegensatz zur landwirt 
schaftlichen Tätigkeit, ein vom Wet 
ter unabhängiger Erwerb. 
Die Führung der Fabrik sah von Be 
ginn an die Schwierigkeit, für die 
technisch anspruchsvolle Entwick 
lung und Produktion die geeigneten 
Facharbeiter zu finden, die es im Dorf 
praktisch nicht gab. Deshalb war als 
vordringlichstes Vorhaben die Ausbil 
dung von Lehrlingen in die Wege ge 
leitet worden. In einer firmeneigenen 
Lehrwerkstätte, ausgerüstet mit hoch 
wertigen Werkzeugen und neuen Ma 
schinen und unter der kundigen Lei 
tung eines Meisters, konnten diese 
Schwierigkeiten behoben werden. 
Balzers wurde ein Musterbeispiel für 
die Ausbildung junger Menschen. Die 
Vielfältigkeit der Berufsziele war ein 
zusätzlicher Anreiz und führte zu ei 
nem überraschend grossen Interesse. 
Verschiedenste Berufe wurden ange 
strebt, wie zum Beispiel die des Me 
chanikers, Feinmechanikers, Elektri 
kers, Elektronikers, Laboranten, und 
die vielfältigen Zweige für eine kauf 
männische Tätigkeit. Dieses Aus 
bildungsangebot war ein kühnes Un 
ternehmen der Fabrikleitung, das zu 
einem vollen Erfolg führte. Ein Lehr 
brief von Balzers galt als Zeugnis für 
Tüchtigkeit, Können und der Fähig 
keit der Zusammenarbeit. Dies wurde 
ein Beispiel für die Jugend im ganzen 
Land. Neue Interessen wurden ge 
weckt, sich durch eine gezielte Berufs 
ausbildung dem Leben zu stellen. Wo 
vorher irgendwelche Hemmungen 
vorhanden waren, wurden diese weg 
gespült. Die Schulen passten sich sehr 
schnell den neuen Forderungen an. 
Dies führte schliesslich zur Ausbil 
dung über den Lehrabschluss hinaus, 
zum Ingenieurstudium am Abend 
technikum Vaduz und Neutechnikum 
Buchs. Die Förderung durch Professor 
Otto Seger und insbesondere durch 
Christian Beusch (meinem Freund) 
wurde zum Segen der Region. 
Aus diesen veränderten Verhältnissen 
heraus entwickelte sich eine erstaunli 
che Aktivität für wissenschaftliche 
und technische Studien. Dass der un 
ternehmerische Drang, etwas Beson 
deres zu leisten, eigene Ideen zu ver 
wirklichen, so viel Entfaltung auslöste 
und ein neues Lebensgefühl und Le 
bensziel brachte, ist erstaunlich. Wie 
durch einen frischen Frühlingswind 
wurde seither verborgene und nicht 
genutzte Kreativität entfacht. Liech 
tenstein wurde ein strukturell völlig 
neues Land mit einer Vielzahl kleiner 
Unternehmungen und Industrien, so 
dass es schon nach kurzer Zeit zu wirt 
schaftlicher Bedeutung und Blüte 
kam. 
Die Gemeinde wurde zum Förderer 
der Firma und das Unternehmen zum 
wichtigen Bestandteil und Mäzen der 
Gemeinde. Das beste Zeugnis dieser 
Übereinstimmung der gemeinsamen 
Interessen war der Ausspruch: «Ge 
meinde und die Balzers AG seien eine 
Familie». Aus der Armut entstand 
Wohlstand für die gesamte Bevölke 
rung. 
Die über den Ortskern hinausgewach 
senen Teile des Dorfes zeigen eine 
Mischung der Balzner Einwohner 
und der inzwischen angesiedelten 
Fremden. Nirgends zeigt sich eine Ab 
sonderung der einen von den anderen, 
beide wurden zu einer homogenen 
Dorfgemeinschaft, anders als dies so 
häufig bei der Industrialisierung die 
Folge ist. 
Was die Firma herstellt, muss hier 
nicht aufgezählt und ausgeführt wer 
den. Jeder Balzner weiss, was in «sei 
ner» Firma gefertigt wird. 
Die Balzner Tugenden, Sorgfalt, 
Fleiss, Sparsamkeit, mögen auch un 
ter den neuen Verhältnissen der Wohl 
habenheit immer das Leitbild bleiben. 
Ich bin der festen Überzeugung, wenn 
aus der Sorgfalt eine Gleichgültigkeit, 
aus dem Fleiss eine Lässigkeit und aus 
der Sparsamkeit eine Missachtung 
des Erworbenen entstehen würde, 
dann wäre der erstaunliche Erfolg der 
letzten fünfzig Jahre bald zunichte.
	        

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