Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1995) (1995)

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Die Gemeinde 
Balzers 
und ihre Fabrik 
Prof. Dr. Max Auwärter 
Liechtenstein zählte in den Vierziger 
jahren unseres Jahrhunderts zu den 
ärmsten Ländern unseres Kontinents. 
Die Produktion der lebenswichtigen 
Nahrungsmittel reichte bei der Klein 
heit der nutzbaren Ackerfläche nicht 
aus, die Versorgung der Bevölkerung 
zu sichern. Lediglich die Viehzucht 
brachte gewisse Überschüsse. Hier 
hat sich die enge Bindung an die 
Schweiz positiv bewährt. 
Ich bin immer wieder erstaunt über 
das präzise Erinnerungsvermögen 
des bäuerlichen Denkens, insbeson 
dere natürlich für schwerwiegende 
Ereignisse. Das Elend nach dem Er 
sten Weltkrieg mit dem Verlust der 
Vermögenswerte bleibt nach wie vor 
in Erinnerung. 
Die Gemeinde Balzers gibt ein ein- 
drückliches Zeugnis der damaligen 
Zustände. Eingeengt zwischen der 
Rheinschleife und den Bergen, ist die 
agrarische Anbaufläche durch äus 
sere Einflüsse besonders gefährdet. 
Die Senkung des Grundwasserspie 
gels durch die Kiesentnahme aus dem 
Rhein führte schon zu einer erhebli 
chen Verminderung der Qualität des 
Bodens. Grund und Boden, notwen 
dig für die Versorgung der Bevölke 
rung, wurde zum kostbarsten Besitz. 
Es war undenkbar, ihn zu veräussern, 
da jede Schmälerung seiner Fläche 
die Ernährung der kleinbäuerlichen 
Bevölkerung noch mehr gefährdet 
hätte. Vernachlässigung von Boden 
wäre ein Frevel gewesen. Der Kampf 
mit jedem Quadratmeter unter Ein 
satz eines enormen Fleisses war eine 
Herausforderung. Dies führte sicher 
mit zu einer unnatürlichen Entwick 
lung der Bevölkerungsstruktur, die 
schon in wenigen Generationen zu 
schwerwiegenden gesundheitlichen 
Folgen führen konnte. Heiraten rich 
teten sich oft nach der Möglichkeit 
des Bodenerwerbs. 
Ausgeglichen werden konnte die ge 
ringe Einkommensquelle nur durch 
anderweitige, wertschöpfende Be 
schäftigung, wie dies zum Beispiel 
das Handwerk bietet. Hier stand als 
Rohstoff nur Holz zur Verfügung, so 
dass ein Übermass an holzverarbei 
tenden Werkstätten entstand. Viele 
Männer hatten auch grosse Erfah 
rung in der Rüfeverbauung und im 
Dammbau. Sie galten als besonders 
geschickte Maurer, Gipser oder gar 
Mineure. Deshalb war es nicht ver 
wunderlich, dass sie Arbeit ausser 
halb des Landes fanden, dass ein Ar 
chitekt Bendel Arbeitsgruppen bis 
nach Ägypten und Spanien vermitteln 
konnte. Sie nahmen ein grosses Risi 
ko auf sich, wochenlang fern der Hei 
mat, um einen sicheren, wetterunab 
hängigen Erwerb zu bekommen. Da 
bei entwickelten sich die typischen 
Eigenschaften der Balzner Bevölke 
rung in ungewöhnlichem Masse: die 
Sorgfalt und Pünktlichkeit bei der 
Ausübung des Berufes, der ausser 
ordentliche Fleiss und die sprich 
wörtliche Bescheidenheit und Spar 
samkeit. Die Beschäftigungen ausser 
halb des Landes und die damit ver 
bundenen Einnahmequellen wurden 
fast ganz durch den Zweiten Welt 
krieg ausgeschaltet. 
Alle Überlegungen zu einer Verbesse 
rung der ökonomischen Situation 
führten zwangsläufig dazu, industri 
elle Investitionen zu suchen. Auf der 
anderen Seite stand als Schreckge 
spenst für den konservativen Teil der 
Bürger die mit einer Industrialisie 
rung verbundene Sorge der Über 
fremdung und die der Gefährdung 
der Eigenart und der gewachsenen 
Traditionen. Um solche Schäden zu 
vermeiden, wurde eine Limitierung 
der Beschäftigtenzahl festgelegt. An 
dere Beschlüsse zwischen Gemeinde 
rat, Dr. Alois Vogt und dem Schrei 
benden beweisen die Weitsichtigkeit 
der damaligen Gemeindeverwaltung. 
Sie kann nicht hoch genug bewertet 
Vor bald 50 Jahren, im Jahre 
1946, wurde die damalige Gerä 
tebau-Anstalt (GAB), die heutige 
Balzers AG, gegründet. Neben 
diesem Zeitpunkt ist es vor allem 
die herausragende Bedeutung 
dieses Betriebes für die Gemein 
de Balzers und die Region, wel 
che die Behandlung dieses The 
mas nahelegen. Diese fusst nicht 
nur auf der grossen Zahl von Ar 
beitsplätzen, sondern, langfristig 
gesehen wohl noch wertvoller, 
auf der hohen Qualifikation die 
ser Arbeitsplätze und der damit 
verbundenen positiven Auswir 
kung auf die Aus- und Weiterbil 
dung der Bevölkerung. 
Prof. Dr. Max Auwärter, der 
Gründer der Firma, der zusam 
men mit Dr. Ross und Dr. 
Winkler deren Geschicke über 
Jahrzehnte geprägt hat, würdigt 
in seinem Beitrag die seitens der 
Gemeinde und der Bevölkerung 
gegebenen positiven Rahmenbe 
dingungen. Seine Ausführungen 
sind ein eindrückliches Bekennt 
nis zu seiner Gemeinde und zei 
gen auf, wie eng die Symbiose 
zwischen Unternehmung und 
Gemeinde war und wie wichtig 
dies auch für die Zukunft sein 
kann. Der Beitrag Prof. Au- 
wärters zeichnet diese Schrift 
besonders aus. 
Emanuel Vogt geht im nachfol 
genden Beitrag auf die eigentli 
che Gründung der Firma ein. 
Deutlich werden nicht nur inte 
ressante historische Fakten, son 
dern vor allem die grosse Verän 
derung für unser Dorf durch die 
erstmalige Schaffung von einer 
grossen Anzahl von Arbeitsplät 
zen. 
H.B.
	        

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