25
Die Gemeinde
Balzers
und ihre Fabrik
Prof. Dr. Max Auwärter
Liechtenstein zählte in den Vierziger
jahren unseres Jahrhunderts zu den
ärmsten Ländern unseres Kontinents.
Die Produktion der lebenswichtigen
Nahrungsmittel reichte bei der Klein
heit der nutzbaren Ackerfläche nicht
aus, die Versorgung der Bevölkerung
zu sichern. Lediglich die Viehzucht
brachte gewisse Überschüsse. Hier
hat sich die enge Bindung an die
Schweiz positiv bewährt.
Ich bin immer wieder erstaunt über
das präzise Erinnerungsvermögen
des bäuerlichen Denkens, insbeson
dere natürlich für schwerwiegende
Ereignisse. Das Elend nach dem Er
sten Weltkrieg mit dem Verlust der
Vermögenswerte bleibt nach wie vor
in Erinnerung.
Die Gemeinde Balzers gibt ein ein-
drückliches Zeugnis der damaligen
Zustände. Eingeengt zwischen der
Rheinschleife und den Bergen, ist die
agrarische Anbaufläche durch äus
sere Einflüsse besonders gefährdet.
Die Senkung des Grundwasserspie
gels durch die Kiesentnahme aus dem
Rhein führte schon zu einer erhebli
chen Verminderung der Qualität des
Bodens. Grund und Boden, notwen
dig für die Versorgung der Bevölke
rung, wurde zum kostbarsten Besitz.
Es war undenkbar, ihn zu veräussern,
da jede Schmälerung seiner Fläche
die Ernährung der kleinbäuerlichen
Bevölkerung noch mehr gefährdet
hätte. Vernachlässigung von Boden
wäre ein Frevel gewesen. Der Kampf
mit jedem Quadratmeter unter Ein
satz eines enormen Fleisses war eine
Herausforderung. Dies führte sicher
mit zu einer unnatürlichen Entwick
lung der Bevölkerungsstruktur, die
schon in wenigen Generationen zu
schwerwiegenden gesundheitlichen
Folgen führen konnte. Heiraten rich
teten sich oft nach der Möglichkeit
des Bodenerwerbs.
Ausgeglichen werden konnte die ge
ringe Einkommensquelle nur durch
anderweitige, wertschöpfende Be
schäftigung, wie dies zum Beispiel
das Handwerk bietet. Hier stand als
Rohstoff nur Holz zur Verfügung, so
dass ein Übermass an holzverarbei
tenden Werkstätten entstand. Viele
Männer hatten auch grosse Erfah
rung in der Rüfeverbauung und im
Dammbau. Sie galten als besonders
geschickte Maurer, Gipser oder gar
Mineure. Deshalb war es nicht ver
wunderlich, dass sie Arbeit ausser
halb des Landes fanden, dass ein Ar
chitekt Bendel Arbeitsgruppen bis
nach Ägypten und Spanien vermitteln
konnte. Sie nahmen ein grosses Risi
ko auf sich, wochenlang fern der Hei
mat, um einen sicheren, wetterunab
hängigen Erwerb zu bekommen. Da
bei entwickelten sich die typischen
Eigenschaften der Balzner Bevölke
rung in ungewöhnlichem Masse: die
Sorgfalt und Pünktlichkeit bei der
Ausübung des Berufes, der ausser
ordentliche Fleiss und die sprich
wörtliche Bescheidenheit und Spar
samkeit. Die Beschäftigungen ausser
halb des Landes und die damit ver
bundenen Einnahmequellen wurden
fast ganz durch den Zweiten Welt
krieg ausgeschaltet.
Alle Überlegungen zu einer Verbesse
rung der ökonomischen Situation
führten zwangsläufig dazu, industri
elle Investitionen zu suchen. Auf der
anderen Seite stand als Schreckge
spenst für den konservativen Teil der
Bürger die mit einer Industrialisie
rung verbundene Sorge der Über
fremdung und die der Gefährdung
der Eigenart und der gewachsenen
Traditionen. Um solche Schäden zu
vermeiden, wurde eine Limitierung
der Beschäftigtenzahl festgelegt. An
dere Beschlüsse zwischen Gemeinde
rat, Dr. Alois Vogt und dem Schrei
benden beweisen die Weitsichtigkeit
der damaligen Gemeindeverwaltung.
Sie kann nicht hoch genug bewertet
Vor bald 50 Jahren, im Jahre
1946, wurde die damalige Gerä
tebau-Anstalt (GAB), die heutige
Balzers AG, gegründet. Neben
diesem Zeitpunkt ist es vor allem
die herausragende Bedeutung
dieses Betriebes für die Gemein
de Balzers und die Region, wel
che die Behandlung dieses The
mas nahelegen. Diese fusst nicht
nur auf der grossen Zahl von Ar
beitsplätzen, sondern, langfristig
gesehen wohl noch wertvoller,
auf der hohen Qualifikation die
ser Arbeitsplätze und der damit
verbundenen positiven Auswir
kung auf die Aus- und Weiterbil
dung der Bevölkerung.
Prof. Dr. Max Auwärter, der
Gründer der Firma, der zusam
men mit Dr. Ross und Dr.
Winkler deren Geschicke über
Jahrzehnte geprägt hat, würdigt
in seinem Beitrag die seitens der
Gemeinde und der Bevölkerung
gegebenen positiven Rahmenbe
dingungen. Seine Ausführungen
sind ein eindrückliches Bekennt
nis zu seiner Gemeinde und zei
gen auf, wie eng die Symbiose
zwischen Unternehmung und
Gemeinde war und wie wichtig
dies auch für die Zukunft sein
kann. Der Beitrag Prof. Au-
wärters zeichnet diese Schrift
besonders aus.
Emanuel Vogt geht im nachfol
genden Beitrag auf die eigentli
che Gründung der Firma ein.
Deutlich werden nicht nur inte
ressante historische Fakten, son
dern vor allem die grosse Verän
derung für unser Dorf durch die
erstmalige Schaffung von einer
grossen Anzahl von Arbeitsplät
zen.
H.B.