Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1995) (1995)

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Die wachsenden Steuereinnahmen 
und die staatlichen Subventionen er 
möglichten der Gemeinde den Ein 
satz bedeutender Mittel in die Verbes 
serung der kommunalen Infrastruk 
tur und der öffentlichen Dienstlei 
stungen auf Gemeindeebene. Das 
Gemeinwerk als Element des dörfli 
chen Lebens und Zusammenhaltes 
verschwand völlig, die gemeinsame 
Anstrengung war nicht mehr nötig, 
weil sie gleichsam an die Gemeinde 
zur Erledigung delegiert werden 
konnte. Die verfügbaren Mittel er 
laubten die Realisierung von Werken, 
von denen man zuvor nur hatte träu 
men können: Wasserversorgung, Ab 
wasserentsorgung, neue Schul- und 
Gemeindehäuser, Mehrzweckgebäude, 
Dorfbibliothek, ein dichtes Strassen- 
netz und Sportanlagen. 1972 zog eine 
Bank ins Dorf ein, ein untrügliches 
Zeichen, dass Nachfrage nach Kredit 
bestand und im Dorf Geld «zu holen» 
war. Man musste sein Geld nicht 
mehr nach Vaduz tragen oder im 
Sparstrumpf auf die Diele hängen und 
konnte sich gleichzeitig bei Kredit 
bedarf an vertraute Leute in der dörf 
lichen Bankfiliale wenden. 
Das wachsende Einkommen hatte 
weiterreichende Konsequenzen. Die 
Dorfbevölkerung und der Einzel 
bewohner hatten nicht mehr die glei 
chen Interessen an gemeinsamen Gü 
tern, soweit nicht direkte Vorteile da 
mit verbunden waren. Die Konsum 
wünsche wurden individuell. Die Stei 
gerung der Kaufkraft und damit der 
Kauflust kam jedoch nicht dem Ein 
zelhandel im Dorf zugute, sondern - 
man war ja motorisiert - den in der 
Region entstehenden Einkaufszen 
tren und Supermärkten. Der dörfli 
che Kleinladen mit seiner reichhalti 
gen Palette an ausgewählten, oft ge 
wünschten Gebrauchs- und Konsum 
gütern ging ein. 
Auch das Verhältnis zu Geld und Ei 
gentum war teilweise Veränderungen 
unterworfen, wobei dieses Verhältnis 
immer delikat und früher nicht in 
jedem Fall besser gewesen sein 
musste. Alles «hat seinen Preis» er 
halten. Gruppenverpflichtungen wer 
den manchmal nur so lange wahrge 
nommen, wie man davon profitieren 
kann. Während die ältere Generation 
teilweise dem traditionellen Wertsy 
stem verpflichtet blieb, das den Ge 
brauchswert betont und bei dem alles 
und jedes «seinen Wert» hat, tritt bei 
der jungen Generation die Bewertung 
von Leistung, Einkommen und 
Konsumkraft in den Vordergrund. 
Bevölkerung 
Die Wirtschaftsentwicklung der letz 
ten Jahrzehnte hatte grundlegende 
Umschichtungen innerhalb der Be 
völkerung zur Folge. Das Agrar- und 
frühere Auswanderungsland wandel 
te sich in ein Land mit zahlreichen 
Arbeitsplätzen und entsprechend ho 
her Zuwanderung. Damit einher ging 
eine mehr oder minder latente 
Überfremdungsangst, die Angst vor 
dem Verlust der dörflichen Identität. 
Die Einwohnerschaft von Balzers 
umfasste im Jahr 1901 total 1 ’012 Per 
sonen, eine Zahl, die sich besonders 
seit dem Zweiten Weltkrieg (1945: 
1’532 Personen) stark vergrösserte 
und 1994 die Höhe von 3’800 schon 
überschritten hat. In dergleichen Zeit 
wuchs der Anteil der ausländischen 
Miteinwohner und -einwohnerinnen 
auf über 30 %, während er 1941 noch 
ca. 9 % (= 128 Personen) betragen hat. 
Die Zunahme ist besonders seit den 
Sechzigerjahren markant und in er 
ster Linie auf die vom wirtschaftli 
chen Wachstum bedingte Zuwande 
rung zurückzuführen. Die Dorfbevöl 
kerung ist durchmischt. Der Zustrom 
ausländischer und anderssprachiger 
Personen öffnete neue Blickwinkel, 
und die Einheiratung vieler auswärti 
ger Frauen und Männer trug zum Auf 
brechen von Verkrustungen bei. 
Siedlung 
Betrachten wir alte Photographien 
von Balzers und Mäls aus dem begin 
nenden 20. Jahrhundert, zeigen sich 
verschiedene Häusergruppen, umge 
ben und idyllisch eingebettet in zahl 
reiche Obstbaumkulturen. Die Häu 
ser, Tennen, Ställe und Schöpfe sind 
meist zu Verbünden zusammenge 
baut, die Wohnverhältnisse waren 
demnach eng, ja beengt. Die Balzner 
Wohngebäude gruppieren sich im 
wesentlichen entlang der Praiawisch 
mit den Ausläufern Obergass und Alte 
Churerstrasse, dann vom Züghüsle/ 
Hotel Post Richtung Egerta, schliess 
lich im Gässle und im Winkel. Die 
Häuser in Mäls bilden drei Haupt 
gruppen, die eine im Gebiet um den 
Runda Böchel (Elgagass-Prafatell- 
Taleze-Rietle), die zweite entlang der 
Landstrasse durch das Mälsner Dorf 
mit den Zentren Bröggle und Winkel, 
die dritte Häusergruppe schliesslich 
verläuft vom Bröggle Richtung St. 
Peter die Iradug hinauf. Bekannte 
dörfliche Treffpunkte waren das 
Höfle in Balzers und das Bröggle in 
Mäls. 
Abb. links: Bevölkerungsentwicklung 
in Balzers ab 1900, mit Wachstums 
varianten bis 2015 
Abb. rechts oben: Balzers um 1900 
Abb. rechts unten: Balzers 1994
	        

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