Volltext: Rechtliche Ausgestaltung des Genossenschaftswesens in Liechtenstein

Genossenschaftswesen Liechtenstein 
Angesichts der Tatsache, dass um 1800 noch rund 90 % der liechtensteinischen Familien in der Land- 
wirtschaft ihr Auskommen fanden” und ausser mit Lehensgütern und eigenem Grund besonders “mit 
umfangreichem Gemeinbesitz und in komplexen genossenschaftl. Bindungen”?! wirtschafteten, wird die 
grosse wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung genossenschaftlicher Organisationsformen of- 
fensichtlich. Das Genossenschaftsprinzip war „eines der tragenden Grundelemente der Landnutzung. ””?? 
Losgelöst vom Element der kollektiven Landnutzung bestanden zudem Brunnengenossenschaften, die 
erst im frühen 20. Jahrhundert mit Einführung der allgemeinen Wasserversorgung aufgelöst wurden, 
sowie Rodgenossenschaften. Diese organisierten den Warentransport auf dem Liechtenstein querenden 
Teil des alten Handelswegs zwischen Deutschland und Italien. Dabei „beförderten in lokalen 
Genossenschaften organisierte Bauern die ihnen anvertrauten Waren jeweils von einem Lagerhaus (auch 
‚Zuschg‘ genannt) zum nächsten.“2 
Vor oben dargestelltem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass genossenschaftliches Den- 
ken und Handeln das Leben im Gebiet des heutigen Liechtensteins zur damaligen Zeit prägte. Es ist 
schwer vorstellbar, dass jemand nicht in der einen oder anderen Form mit Genossenschaften in Verbin- 
dung stand. 
2.2.2 19. Jahrhundert 
Das 19. Jahrhundert begann mit einem markanten Wendepunkt hinsichtlich der Bedeutung der Genos- 
senschaften. Mit landesfürstlicher Dienstinstruktion von 1808 wurde aufgetragen, das gemeinsam ge- 
nutzte Landwirtschaftsgebiet unter allen Bürgern aufzuteilen und ins Privateigentum zu übertragen. Die- 
ser Übertrag war mit der Verpflichtung verbunden, die zugeteilten Grundstücke urbar zu machen, an- 
sonsten sie wieder entzogen würden.* 
Diese herrschaftlich aufgezwungene Privatisierungswelle stand im Kontext der Bauernbefreiung, wach- 
sender Bevólkerung und einer zeittypischen physiokratisch-liberalen Wirtschaftslehre, die sich davon 
eine Steigerung von Produktion und Wohlstand für die wachsende Bevólkerung versprach. Sie stiess 
bei der Mehrheit der lokalen Bevölkerung auf grossen Widerstand und gelang entsprechend auch nur 
  
20 Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 146. 
?! Ospelt, Landwirtschaft, 19. Jahrhundert (1800-1924), in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), His- 
torisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein I (2013) 494. 
? Marquardt, Genossenschaft 286. 
23 Biedermann, Genossenschaften in Liechtenstein 233. Ausführlich dazu: Biedermann, Das Rod- und Fuhrwesen im Fürsten- 
tum Liechtenstein. Eine verkehrsgeschichtliche Studie mit besonderer Berücksichtigung des späten 18. Jahrhunderts, in: 
Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liech- 
tenstein, Band 97 (1999) 7-183. 
% Ospelt, Wirtschaftsgeschichte 117. 
11
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.