Volltext: Nachbar Ständestaat

Andrerseits ist im Zusammenhang mit der Rotter-Affäre zu sehen, wie in den Nachrichten 
Einsendungen publiziert wurden, die Verständnis für die Entführer zeigten und die Ausweisung 
der Gebrüder Rotter forderten.””® Lässt sich dieses Verhalten noch aus der Warte einer 
oppositionellen Kritik an der Finanzeinbürgerungspraxis der Regierung erkláren,??? erstaunt 
darüber hinaus, dass auch Bewunderern des Nationalsozialismus im Sprachrohr der Volkspartei 
Raum geboten wurde. So schrieb der ósterreichische Autor Hans Gustl Kernmayr, der zwischen 
1932 und 1933 in Liechtenstein wohnhaft und seit 1933 Mitglied der illegalen ósterreichischen 
NSDAP war, unter dem Pseudonym Hans René-Kernmayr fiir die Nachrichten. Seine Artikel 
sind voller Lob für die „deutsche Revolution“, während er die Gräuelnachrichten über das NS- 
Regime für ein Produkt der „Grosspresse“ hält, die von Juden und Freimaurern kontrolliert 
werde.??! Weitere Artikel, die im selben Tonfall gegen Juden und Freimaurer hetzten und unter 
den Initialen ,,H.R.* erschienen, dürften ebenfalls aus seiner Feder stammen.??? Für den Juli- 
Putsch wurde in den Nachrichten das Deutsche Reich verantwortlich gemacht, welches durch 
die Ermordung Dollfuss' den Zweck verfolge, „Oesterreich dem Dritten Reich untertánig zu 
machen", aber sich stattdessen in die internationale Isolation manóvriert habe. Wiederum 
erschien ein Artikel, in welchem die ósterreichische Unabhángigkeit in Zweifel gezogen wurde 
und deutliche Sympathien zur ósterreichischen NSDAP anklangen.??* 
Die Redaktion selbst verwies darauf, dass die Unabhängigkeit Österreichs gegenwärtig zur 
Diskussion stehe und darum diese Frage, „der demokratischen Einstellung unseres Blattes 
> 5 
folgend", von verschiedenen Seiten zu beleuchten sei.) Deshalb gebe man auch diesen 
Ausführungen Raum, ,ohne uns damit in allen Teilen zu identifizieren. 5 Hieraus ist zu 
ersehen, wie zwielichtig sich der Umgang der Volkspartei mit dem Nationalsozialismus 
erweist. Die Stellungnahmen des Parteiorgans selbst verurteilten sowohl den national- 
sozialistischen Terror in Osterreich wie auch die Methoden des Dritten Reichs. Trotzdem 
wollten sich die Nachrichten als eine Plattform gerieren, bei welcher die unterschiedlichsten 
Meinungen zur Sprache kommen, weshalb im Parteiorgan auch NS-Befürwortern Platz geboten 
wurde, mitunter mit dem Verweis auf die demokratischen Motive der Redaktion. 
  
28 LN, 22.11.1933, S. 1. 
299 Krebs, Zwischen Fürst und Führer, S. 550-551. 
300 Frey / Ospelt, Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte, S. 676. 
301 LN, 9.8.1933, S. 2, und LN, 12.8.1933, S. 2. 
39? LN, 4.7.1933, S. 1, und LN, 6.7.1933, S. 1. 
95 LN. 8,8.1933, S. 1. 
9? LN, 12.9.1933, S. I. 
305 Ebd. 
306 Ebd. 
38
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.