Volltext: Der Staatsvertrag in Liechtenstein und seine vorläufige Anwendung

vorsieht. '® Die Frage sei aber erlaubt, ob dies auch bei einer vorläufigen 
Anwendung gilt. Denn hier scheint die Verbindung zwischen den Vertragsstaaten 
doch enger zu sein, als dies bei einer blossen Unterzeichnung des festgelegten 
Vertragstextes geschieht, bei dem noch keine Bindungswirkung*'® des Vertrages 
eintritt. Eine Verweigerung der Ratifikation kónnte mitunter zu Spannungen führen, 
da die Parteien gróssere Anstrengungen unternommen haben, das Vertragswerk 
auch umzusetzen, nachdem dieses durch die vorläufige Anwendung Rechtswirkung 
erlangt hat. Umgekehrt ist aber auch gleich ersichtlich, dass eine Verpflichtung zur 
Ratifikation unweigerlich zu verfassungsrechtlichen, innerstaatlichen Konflikten 
führen könnte, da die Legislative durch die vorläufige Anwendung (z.B. erwirkt durch 
die Regierung ohne Zustimmung eines Parlaments) gezwungen wäre, einem Vertrag 
zuzustimmen, bei dem sie später aber nicht die Absicht hatte, diesem die 
Genehmigung zu erteilen. Der Legislative wáre damit das Votum entzogen.^?? 
Eine Pflicht zur Ratifikation kann aber schon mit einem Blick auf Art. 25 WVK klar 
verneint werden, denn gem. Art. 25 Abs. 2 WVK reicht eine Notifikation des Willens 
eines Vertragspartners aus, um nicht mehr an den Vertrag gebunden zu sein. Es 
kann also gesagt werden: „Aus rechtlicher Sicht bleibt die Ratifikation eines vorläufig 
angewendeten Vertrages vollkommen im Ermessen der Vertragsparteien.“ 
4.4.3 Völkerrechtliche Konsequenzen einer verfassungswidrigen vorl. Anwendung 
Wie schon oben ausgeführt wurde, gilt es hier noch zu präzisieren, welche möglichen 
Rechtsfolgen entstehen können, wenn eine Verpflichtung zur vorläufigen Anwendung 
eines völkerrechtlichen Vertrages verfassungswidrig eingegangen wurde. Da es sich 
bei der vorläufigen Anwendung um eine verbindliche Vereinbarung mit allen 
dazugehörenden Rechtswirkungen handelt, kommt Art. 46 WVK und Art. 2/7 WVK zur 
Anwendung.“ Eine Vertragsverletzung kann also nur dann mit einem Verstoss von 
innerstaatlichen Rechtsvorschriften begründet werden, wenn diese offenkundig 
waren und die innerstaatlichen Vorschriften auch von grundlegender Bedeutung 
waren. 
Eine solche Begründung für eine Vertragsverletzung muss also bei jedem dieser 
Fálle individuell beurteilt werden. Nàmlich ob die verfassungsrechtliche Verletzung im 
  
^? ygl. Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 64. 
^? ygl. Heintschel von Heinegg, Quellen, 2014, S. 399. 
“20 ygl. Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 64. 
^" Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 64. 
^? Siehe dazu auch Kapitel 4.2.1.1. 
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