Volltext: Der Staatsvertrag in Liechtenstein und seine vorläufige Anwendung

Art. 18 WVK (Frustrationsverbot) 
Eine wichtige Frage, die es auch im Hinblick auf die Rechtsnatur der vorläufigen 
Anwendung zu beantworten gilt, ist die, wie  weitreichend eine allfällige 
Bindungswirkung dieser Konstruktion vor der Ratifikation und dem Inkrafttreten ist. 
Gem. Art. 18 WVK*® ist ein Staat verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die 
Ziel und Zweck eines Vertrages vereiteln würden, wenn er z.B. den Vertrag 
unterzeichnet oder Urkunden ausgetauscht hat und seine Absicht nicht klar zu 
erkennen gegeben hat, nicht Vertragspartei werden zu wollen. Durch eine 
Unterzeichnung (mit blosser Authentifizierungsabsicht) des Vertragstextes tritt 
selbstverständlich noch keine Bindung an den Vertrag ein. Die Parteien werden 
jedoch durch Art. 18 WVK angehalten, im Sinne eines Vertrauensschutzes eine 
allfällige Erwartungshaltung des Vertragspartners durch diese Unterzeichnung nicht 
ungebührlich und fahrlässig zu vereiteln.?9? 
Ob dieser Grundsatz auch für die vorläufige Anwendung herangezogen werden 
kann, muss durchaus kritisch betrachtet werden.?9? Denn wie unten noch besprochen 
wird, geht eine Vertragspartei, die einen vólkerrechtlichen Vertrag vorläufig 
anwendet, eine Bindung ein, welche Rechtswirkungen schafft und damit auch 
vólkerrechtlich durchsetzbar wird.??' Dadurch wird ein Staat dazu verpflichtet, den 
Vertrag auch tatsáchlich anzuwenden und nicht nur dazu angehalten, Ziel und Zweck 
des Vertrages nicht zu vereiteln. An diese Überlegung knüpft auch die Frage an, ob 
durch diese Verpflichtung zur Anwendung auch die Pflicht zur anschliessenden 
Ratifikation“® entsteht. Demnach würde die Verweigerung einer Ratifikation Art. 18 
WVK zuwiderlaufen. Ein innerstaatlicher Konflikt wáre die Folge, weil damit durch die 
«293 nd ein 
„Executive für die Legislative ein fait accompli geschaffen wurde 
Parlament dem Vertrag notgedrungen zustimmen muss, damit nicht gegen 
vólkerrechtliche Verpflichtungen verstossen wird. Dies würde wiederum Art. 25 Abs. 
2 WVWK zuwiderlaufen, da sich hier eine Vertragspartei durch einfache Notifikation 
von der vorläufigen Anwendung entbinden kann. 
  
288 Art. 18 WVK LGBI. 1990/71. 
289 \Vgl. Verdross / Simma, Universelles Vôlkerrecht, 1984, S. 454. 
290 Vgl. dazu Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 67ff, sowie Quast Mertsch, Provisionally Applied Treaties, 2012, 
S. 19ff — wird jedoch stark angezweifelt und widerlegt durch Gómez-Robledo, Third report, 2015, S. 10f. 
Siehe dazu unten Kapitel 4.3. 
Siehe dazu unten Kapitel 4.4.2. 
29 Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 68. 
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