können. Die Beendigung von vorläufig angewendeten Verträgen und die vorläufige
Anwendung durch internationale Organisationen werden am Ende dieses Kapitels
behandelt.
4.1 Historische Entwicklung der vorläufigen Anwendung
Man könnte versucht sein zu denken, dass das Phänomen der vorläufigen
Anwendung von völkerrechtlichen Verträgen eine Besonderheit der neueren Zeit ist
und erst mit der Globalisierung und der stetig steigenden Zahl von völkerrechtlichen
Verträgen weltweit aufgekommen ist. Richtig ist jedoch, dass die vorläufige
Anwendung von Verträgen schon früh, nämlich im 17. Jahrhundert seinen Ursprung
hat. Hier einigten sich vor allem Kriegsparteien in Friedensverträgen darauf, die
Kampfhandlungen mit sofortiger Wirkung einzustellen, ohne die Ratifikation des
Monarchen abzuwarten, der mitunter mehrere Tagesmärsche entfernt war. Die
Einstellung der Feindseligkeiten sollte also mit Unterzeichnung und nicht erst mit der
Ratifikation des Vertrages vollzogen werden.?*?' Ein bekanntes Beispiel für solche
Friedensverträge, die vorläufig angewendet wurden, ist der Friedensvertrag von
Osnabrück vom 14. und 24. Oktober 1684 (Westfälischer Frieden).*°°
Háufiger trat die vorláufige Anwendung jedoch erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts
auf. Wichtige Beispiele hier sind der ,Quadruple Alliance Treaty" vom 25. Juli 1840
zwischen dem Vereinigten Königreich, Österreich, Preussen und Russland auf der
einen und das Osmanische Reich auf der anderen Seite, sowie die Konvention vom
3. Juli 1880, mit der 12 Staaten den Schutz ihrer Staatsangehörigen in Marokko
gewährleisten wollten.“
Im vergangenen Jahrhundert wurde eine weitere Gruppe an Verträgen häufig durch
die vorläufige Anwendung umgesetzt. Es handelt sich dabei um Bündnis- und
Freundschaftsverträge, welche als Nichtangriffspakte ausgestaltet sind oder die
gegenseitige Unterstützung in Fällen von Aggressionen gegen einen Vertragspartner
regeln. Ebenfalls zu dieser Gruppe zählen Abrüstungsverträge wie beispielsweise
der SALT | - Vertrag zwischen der UdSSR und den USA zur nuklearen
Rüstungsabgrenzung.^9?
?57 ygl. Krenzler, vorl. Anwendung, 1963, S. 16; sowie Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 23.
258 ygl. Krenzler, vorl. Anwendung, 1963, S. 16
259 ygl. Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 23.
?99 ygl. Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 23f.
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