Markus Furrer
souveräner Staat, der auch in der weiteren Entwicklung im nationalen
Zeitalter des 19. Jahrhunderts und im Zeitalter der Katastrophen des
20. Jahrhunderts Bestand hatte. Dreh- und Angelpunkt bildet der Erste
Weltkrieg. Der Band «Brücken zur Vergangenheit» behandelt die Jahr-
hunderte vor und «Wege in die Gegenwart» das Jahrhundert nach der
Urkatastrophe (George F. Kennan).
Ein starker Aussenbezug als Charakteristikum
für die Erzählung der Geschichte eines Kleinststaates
In den Narrativen beider Lehrmittel ist die Entwicklungsgeschichte des
Landes eng in eine gesamteuropäische Entwicklung eingebettet. Ele-
mentar ist dabei die Bedeutung des römisch-deutschen Reichs für Liech-
tenstein als kleinen Staat und bedeutsam ist die Zeit als souveräner Staat
im Rheinbund und als Mitglied des Deutschen Bundes.** Sichtbar wird
dies auch an der Geschichte der europäischen Adelshäuser. Resultat ist,
so im Vergleich zur Schweiz, eine stärker nach aussen orientierte Ge-
schichtsdarstellung. Erzählt wird, wie sich über eine lange Phase hin-
durch ein kleines Staatswesen herausbildet und halten kann, oft auch
durch die Zufälle der Geschichte begünstigt.
Der abwesende Krieg
In den Darstellungen, nicht zuletzt im Vergleich mit schweizerischen,
nehmen Kriege eine weniger präsente Rolle ein. Während in schweizeri-
schen Darstellungen der Krieg in Mittelalter und Neuzeit als Marchen-
streit, territoriale Erweiterung oder Söldnerwesen immer wieder auf-
scheint, so sind diese Bezüge in den liechtensteinischen Darstellungen
seltener. Erwähnung finden die Bedrohung während der Koalitions-
kriege im Kontext der Französischen Revolution, Liechtensteins Kon-
tingentstellung im Rheinbund und im Deutschen Bund* und das 1934 in
Schaan errichtete Denkmal für liechtensteinische und ausländische Ge-
44 Vogt, Brücken zur Vergangenheit, S. 85, 109.
45 Ebenda, S. 134-136.
502