Geschichtsbild in liechtensteinischen Lehrmitteln
«Nur das geschichtliche Werden begründet hinreichend, dass es Liech-
tenstein gibt und dass es in der ihm gemässen Form, nämlich als konsti-
tutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer
Grundlage, besteht.»!8
Die Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Staat ist eine funda-
mentale Komponente für das Funktionieren eines Gemeinwesens. Der
Identitätsbegriff ist jedoch stets schillernd, auch lässt er verschiedene
Grade und Abstufungen zu. Kleinräumige Identitätsbezüge kennen wir
von Schweizer Kantonen, wobei hier gleichfalls die historische Kompo-
nente zur bestimmenden wird. In der Kantonsgeschichte Nidwaldens,
eines schweizerischen Halbkantons mit der Fläche von 276 km? und
42 000 Einwohnern, der mit seinen Ausmassen dem Fürstentum Liech-
tenstein mit 160 km? und knapp 38 000 Einwohnern nahekommt, geht es
ım Kern auch darum, die Entstehung der «Eigenstaatlichkeit» im histo-
rischen Prozess sichtbar zu machen.
Solche Betrachtungsweisen sind in einer Zeit, in der über die Be-
deutung von Staatlichkeit im Allgemeinen und über jene des National-
staats im Spezifischen nachgedacht und daraus auch ein Politikum wird,
besonders interessant. Saskia Sassen warnt in diesem Zusammenhang vor
der sogenannten «Endogenitätsfalle», indem der Globalisierung verein-
facht der Niedergang des Nationalstaats gegentbergestellt wird.?® Dies
entpuppe sich als Trugschluss. Vielmehr handle es sich um eine Trans-
formation der Assemblagen Territorium, Autorität und Recht, wie sie
sich im globalen, nationalen und auch subnationalen Massstab voll-
ziehe.?! Aus einer historischen Perspektive ist Wandel eine Selbstver-
ständlichkeit und damit verändert sich laufend der Charakter von Staat-
lichkeit. In diesem Kontext sind Kleinstaaten und insbesondere kleine
Kleinstaaten von hohem Interesse. Sie haben sich nie zu jener ausge-
prägten Form des Nationalstaats entwickelt und entwickeln können, wie
ihn die grossen europäischen Staaten in den unterschiedlichen Modellen
verkörpern. Sie sind in bestimmtem Masse vormoderne Staatswesen
geblieben. Der Blick auf ihre Geschichte und darauf, wie Gesellschaften
18 Josef Wolf, Vorwort, in: Vogt, Brücken zur Vergangenheit, S. 5.
19 Hansjakob Achermann, Vorwort, in: Geschichte des Kantons Nidwalden, Bd. 1, S. 7.
20 Siche Sassen, Das Paradox des Nationalen, S. 22.
21 Ebenda, S. 643.
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