Historikerkommissionen oder
das Bemühen um die gültige Erinnerung
Panl Vogt
Historikerkommissionen sind unabhängige, offiziell beauftragte Exper-
tengremien, die die «Wahrheit» über Ereignisse der Vergangenheit, die
die Gegenwart schwer belasten, aufspüren und in einem gemeinsamen,
öffentlich zugänglichen Schlussbericht festhalten sollen. Dieser Beitrag
geht von der These aus, dass der Schlussbericht nicht nur dem Blick
zurück dienen, sondern auch für die zukünftige kollektive Erinnerung
eine massgebende Grundlage schaffen soll: Der Schlussbericht soll eine
verlässliche, gültige Sichtweise der Vergangenheit vermitteln, er soll —
um eine Formulierung von Alois Ospelt zu verwenden — ein «Wegwei-
ser der Deutung»' sein.
Im Zentrum dieses Beitrags stehen die Unabhängige Historiker-
kommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg (2001 bis 2005) und die
Liechtensteinisch-Tschechische Historikerkommission (2010 bis 2013).
Er stützt sich auf (zumeist von den Kommissionen) publizierte Doku-
mente. Die Innensicht der Kommissionsmitglieder fehlt. In beiden
Kommissionen fungierte Peter Geiger als Präsident; Rupert Quaderer
hat für die liechtensteinisch-tschechische Kommission drei wesentliche
Studien verfasst.?
Wahrheits- und Verséhnungskommissionen
Zuerst jedoch sollen die Funktionen von sogenannten Wahrheits- und
Versohnungskommissionen aufgezeigt werden. Insgesamt wurden seit
1 Ospelt, Rezension UHK-Schlussbericht, S. 246.
2 Quaderer, Benes; Quaderer, Sehnsucht; Quaderer, Liechtenstein und die Tschecho-
slowakei.
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