Wissenschaftsfreiheit und Persönlichkeitsschutz
nicht wünschen, stünde ihr der Rechtsweg nach Art. 39ff. des Personen-
und Gesellschaftsrechts (PGR) offen».?!
Es wurde den Projektbearbeitern daraufhin zugetragen, dass ihnen
bei ihren Erhebungen auch Übernamen zugespielt worden seien, die nur
hinter dem Rücken der betroffenen Personen verwendet würden, diesen
selber also gar nicht bekannt seien. Das hatten die Projektbearbeiter
allerdings nicht gewusst — und so liess sich die Empörung der ahnungs-
losen Betroffenen freilich leicht verstehen. Die betreffenden Bezeich-
nungen waren von den Gewährsleuten als im Ort durchwegs geläufig
dargestellt beziehungsweise mindestens unter dieser stillschweigenden
Voraussetzung genannt worden. Dass darunter, wie es nun schien, auch
vereinzelte «Stammtischformen» waren, die keineswegs allgemein in
Gebrauch waren, war leider nicht erkannt worden. Auf jeden Fall lag es
dem Projekt fern, solche «Fabrikate» in Umlauf bringen zu wollen.
Die Schlussfolgerung aus diesen zeitweise bewegten Vorgingen
war zwingend: Alle irgendwie (vermeintlich oder wirklich) auf persönli-
che Dinge zielenden Übernamen waren grundsätzlich und radikal aus
der Sammlung zu streichen. Das war zwar schade, wenn es sich um —
volkskundlich gesehen — originelles Material handelte; aber nun war
diese Bereinigung unumgänglich.
Die Regierung verpflichtete die Projektbearbeiter dazu, im Einver-
nehmen mit dem Datenschutzbeauftragten ein Konzept für den Umgang
mit diesen heiklen Daten vorzulegen. Nun aber mehrten sich die Zwei-
fel: Es schien rechtlich gar nicht mehr sicher, ob die beabsichtigte öffent-
liche Auflage mit Einsprachefrist überhaupt genügen würde. Wäre eine
nach der öffentlichen Auflegung konstatierte stillschweigende Einwilli-
gung ausreichend zur Absicherung der Herausgeber?
Was tun? Bei jeder einzelnen Person — rund sechstausend insgesamt
— eine ausdrückliche Einwilligung zur Nennung ihres Rufnamens einho-
len? Dies konnte aus praktischen Gründen kaum erwogen werden. Ge-
radezu ausweglos schien die Situation hinsichtlich der verstorbenen
Namensträger: Hier würde sich die rechtliche Verpflichtung zur Einho-
lung der Einwilligung auf alle Nachkommen erstrecken — klar, dass einer
solchen Auflage faktisch nicht nachzukommen war.
21 Brief des Datenschutzbeauftragten an den Historischen Verein vom 5. Dezember
2007 (Privatarchiv Hans Stricker).
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