Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Gesellschaftliche Funktion der Geschichte 
Eine ähnliche Erwartungshaltung gegenüber Historikerinnen und His- 
torikern erweist sich auch bei oftmals drängenden und zeitlich in der 
Regel knapp erfolgenden Anfragen für Interviews zu allen möglichen 
aktuellen Fragen und Ereignissen. Solchen Anfragen kann man sich 
meist schlecht entziehen; dies vor allem aus Verantwortung des profes- 
sionellen Historikers gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch damit 
nicht der Eindruck entsteht, Universitätsangehörige würden sich vor 
Stellungnahmen drücken. 
Wichtig ist in diesen Fällen und generell in allen Situationen, bei 
denen sich Historikerinnen und Historiker in irgendeiner Weise öffent- 
lich schriftlich oder mündlich zu Aktualitäten äussern (müssen), dass sie 
nicht nur ausreichend informiert sind, sondern über der Sache zu stehen 
versuchen, nicht direkt betroffen sein dürfen und insbesondere keine 
Parteipolitik betreiben. Dennoch müssen sie ihren Standpunkt offenle- 
gen, damit der Leserin oder dem Hörer klar wird, auf welcher Basis und 
aus welcher Perspektive argumentiert wird. Objektivität ist ein schönes 
Ziel, aber letztlich so unerreichbar wie Wahrheit. Erreichbar sein kann 
eine Art unaufgeregter Neutralität, nicht im Sinne eines beliebigen 
Lavierens zwischen möglichen Positionen, sondern als Versuch einer 
reflektierten Ausgewogenheit. 
Im gegenwärtigen Zeitpunkt haben Historikerinnen und Histori- 
ker generell einen gesellschaftlich besonders wichtigen Auftrag zur kri- 
tischen Aufklärung bei billiger populistischer Propaganda oder gegen 
«postfaktische» Verdrehungen: eine aufklärerische Verantwortung 
gegenüber einer breiten Öffentlichkeit, die sie mit allen Geisteswissen- 
schaftlern teilen.’ Aber gerade sie sollten diese Verantwortung umso 
mehr wahrnehmen, als sie in Kenntnis dessen argumentieren können, 
was sich aus vergleichbaren früheren Problemlagen ergeben hat. Sie ken- 
nen die Gefahren ideologischer Verführungen oder diskriminatorischer 
Verfolgungen oder machtpolitischer Arroganz und müssen sie deshalb 
möglichst klar ansprechen. 
  
38 Siehe Tribelhorn, Geist statt Gefühlsduselei. 
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