Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Carlo Moos 
zeichnen könnte. Mit dem amerikanischen Präsidenten teilte Calonder 
auch das Schicksal des Scheiterns und war anlässlich der Schweizer Völ- 
kerbundabstimmung vom Mai 1920 bereits nicht mehr in der Landesre- 
gierung; er war über die Vorarlberger Anschlussfrage gestrauchelt und 
tm Januar 1920 zurückgetreten. 
Das persönliche Geschick Calonders ändert nichts daran, dass zu 
Ende des Ersten Weltkriegs eine Grundwelle von Friedenshoffnungen 
durch die Schweiz ging und eine mentale Öffnung bewirkte, die den Bei- 
tritt zum Völkerbund möglich machte, obwohl die Mehrheit der 
Deutschschweizer aus Sympathie für das besiegte Deutsche Reich einen 
solchen ablehnte und ein grosser Teil der Arbeiterschaft im Völkerbund 
ein Instrument der Bourgeoisie sah. Dank der massiven Zustimmung 
seitens der sprachlichen Minderheiten fiel das Volksmehr dennoch ziem- 
lich deutlich aus, während das Ständemehr aus einer einzigen Stimme 
bestand (elfeinhalb Kantone nahmen an, zehneinhalb lehnten ab). 
Von Bedeutung ist nun, dass sich in dieser Zustimmung ein Verhal- 
ten artikulierte, das sich auch durch andere Bereiche der Schweizer 
Geschichte zieht, nicht nur in der Zugehörigkeit zum Alten Reich oder 
in den Solddiensten, sondern vor allem in der Helvetik und während der 
Regeneration. 
Trotz ihrer partiellen Fremdbestimmtheit durch Frankreich 
kommt der Helvetik (1798 bis 1803) auf dem Weg zur Neuen Schweiz 
ein hoher Stellenwert zu, wobei der Akzent auf dem Einklang der dama- 
ligen Schweiz mit der gesamteuropäischen Entwicklung liegt. Zwar 
wurde das Land verpflichtet, Truppen für Kriege zu stellen, die es nichts 
angingen, aber es bewegte sich in Fortsetzung eigener reformerischer 
Ansätze auf der Höhe der Zeit und in einem Modernisierungspro- 
gramm, von dem es bis heute zehrt. 2 Zweifellos war das erzwungene 
Einfügen in ein grösseres Ganzes ein massiver Schönheitsfehler, hat aber 
dem helvetischen und erst recht dem zeitlich anschliessenden mediati- 
sierten Staatswesen (1803 bis 1813) nicht viel weniger Spielraum gelassen 
als während des Zweiten Weltkriegs bei hochgehaltener Souveränitäts- 
und Neutralitätsflagge. Vielmehr konnte sich die Schweiz trotz wieder- 
  
2 Siehe Braun, Das ausgehende Ancien Régime in der Schweiz. 
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