Besonderheiten des liechtensteinischen Eherechts
Im Zuge der Ausarbeitung des neuen liechtensteinischen Eherechts war
beides erwogen worden und die Entscheidung schliesslich zugunsten der
Schaffung eines separaten Ehegesetzes gefallen.
Mit dem neuen Eherecht sollten zunächst einmal die vordring-
lichsten Neuerungen durchgeführt werden, soweit sie politisch machbar
erschienen. Man war sich durchaus darüber im Klaren, dass der Wechsel
von einer grossteils aus dem 18. Jahrhundert stammenden Eherechtsord-
nung zu einem den gesellschaftlichen Verhältnissen der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts angepassten Eherecht nicht allzu gravierende
Änderungen mit sich bringen durfte, um in der Bevölkerung Akzeptanz
zu finden. In diesem Sinne konnte das neue liechtensteinische Eherecht
keine umstürzenden Neuerungen bringen, sondern nur die drängends-
ten Probleme lösen. Da somit ganz bewusst «in diese Eherechtsreform
keine Familienrechtsreform eingebaut» worden war,*® fand das zu dieser
Zeit in den Nachbarstaaten diskutierte Partnerschaftsprinzip als Grund-
lage des ehelichen Zusammenlebens keine Berücksichtigung, sondern es
blieb bei dem vom ABGB normierten patriarchalischen Prinzip, also
beim Leitungsprivileg des Mannes und beim Unterhaltsprivileg der
Frau. Dem Ehegesetz 1974 blieb folglich der Vorwurf der Halbherzig-
keit und des mangelnden Muts zu durchgreifenden Änderungen nicht
erspart.“
Ausblick
Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde die Erneuerung des liechtensteini-
schen Ehe- und Familienrechts erneut in Angriff genommen.“ Dabei lag
der Fokus auf der Gleichstellung der Geschlechter sowie auf der Ver-
wirklichung des Partnerschaftsprinzips. Die Regierung stellte im Vorfeld
der Reform ausführliche Überlegungen an, welches von den beiden
Nachbarrechten sich besser als Rezeptionsvorlage für diese Rechtsmate-
40 Landtagsprotokoll vom 27. November 1973, S. 567.
41 Siehe dazu Kohlegger, Gschnitzer als Prisident, S. 1083. Die geschlechtsspezifischen
Unterschiede wurden in Osterreich 1978 im Zuge der Familienrechtsreform besei-
tgt, in der Schweiz 1988 und in Liechtenstein im Zuge der Familienrechtsreform
1993.
42 Siehe zum Ablauf der Reform ausfithrlich Berger, Rezeption, S. 145-195.
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