Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Elisabeth Berger 
Abgesehen von den liechtensteinischen Besonderheiten handelte es sich 
bei dem neuen Ehegesetz um eine Kompilation von schweizerischen und 
osterreichischen Rechtsvorschriften.”® Ganze Abschnitte des Eherechts 
waren — teils wörtlich, teils mit geringfügigen Änderungen — aus dem 
ZGB übernommen worden. Das betraf vor allem die Bestimmungen über 
die Verlobung (Art. 4 ff.) sowie über Ehefähigkeit und Ehehindernisse 
(Art. 9 ff.). Was die Verkündung und die Trauung betraf (Art. 15 ff.), 
waren die Bestimmungen ebenfalls weitgehend mit den Bestimmungen 
des ZGB identisch, ausser dass zum Beispiel in Liechtenstein das Ver- 
kündungsverfahren vereinfacht und auf den Wohnsitz der Brautleute 
beschränkt wurde. Die Regelung der persönlichen Rechtswirkungen der 
Ehe (Art. 43 ff.) entsprach dem Stand des ZGB vor der schweizerischen 
Familienrechtsreform und hielt an der Vorrangstellung des Mannes fest. 
Jene Bestimmungen, die durch das PGR bereits an das schweizerische 
Recht angeglichen worden waren,” wurden in das neue Ehegesetz inso- 
weit hinlibergenommen, als sie sach- und systemgemiss hierher gehor- 
ten. Aus dem österreichischen Ehegesetz — in der Fassung vor der Fami- 
lienrechtsreform — stammte die Regelung der Trennungs- beziehungs- 
weise Scheidungsfolgen, vor allem das Unterhaltsrecht (Art. 80 ff.), 
das eng mit dem Verschulden an der Trennung der Ehe verknüpft war. 
Was die Terminologie des neuen Ehegesetzes betraf, blieb man hier eher 
dem ABGB und damit den gewohnten Begriffen treu; zum Beispiel ver- 
wendete das Ehegesetz wie das ABGB den Terminus «Brautleute» statt 
«Verlobte». 
Warum sich der liechtensteinische Gesetzgeber dazu entschloss, ein 
separates Ehegesetz zu schaffen, anstatt die entsprechenden Bestimmun- 
gen in das ABGB einzubauen — wie es beispielsweise bei den aus der 
Schweizer Rechtsordnung rezipierten Regelungen des Arbeitsvertrags 
($ 1173a ABGB) und des Verlagsvertrags ($$ 1160-1173 ABGB) 
gehandhabt wurde —, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. 
Die Rechtsordnungen der beiden Nachbarstaaten hatten beide Alterna- 
tiven zur Auswahl angeboten. In Osterreich war seit dem EheG 1938 das 
Recht der Eheschliessung und der Ehescheidung in einem Nebengesetz 
zum ABGB geregelt, während es in der Schweiz im ZGB enthalten war. 
  
38  Landtagsprotokoll vom 27. November 1973, S. 542. 
39  Siehe in «§ 3 Schlussabteilung» des PGR Abschnitt «II. Frauen». 
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