Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Elisabeth Berger 
sung des Ehebandes: Gemäss $ 111 ABGB waren auch Ehen unauflös- 
lich, für die dies nach kirchlichem Eherecht nun nicht mehr galt, nämlich 
die nicht vollzogene sakramentale Ehe, die halbchristliche Ehe und 
Ehen, die nach kanonischem Recht ungültig waren. Im Volk brachte die 
Strenge des liechtensteinischen Eherechts diesem den Ruf ein, «päpstli- 
cher zu sein als der Papst». !® 
Nicht nur die Unterschiede zwischen dem Eherecht des liechten- 
steinischen ABGB und dem geltenden kanonischen Recht wurden 
zunehmend gravierender, Liechtenstein wandte sich auch von der 
ursprünglichen Rezeptionsgrundlage, dem österreichischen Eherecht, ab, 
indem es dessen weitere Rechtsentwicklung nicht mitmachte. Weder 
wurde in Liechtenstein 1868 die Notzivilehe eingeführt noch 1870 die 
obligatorische Zivilehe für Konfessionslose gestattet.'” Man schloss sich 
auch nicht den die kirchliche Eheherrschaft für Katholiken wiederher- 
stellenden Konkordaten an, die Österreich mit der katholischen Kirche 
1855 und 1933 schloss. Das österreichische Ehegesetz für Katholiken,? 
das das Eherecht des ABGB für Angehörige dieser Konfession weitest- 
gehend ausser Kraft setzte, kam in Liechtenstein nicht zur Anwendung, 
da es eine Verpflichtung aus dem Konkordat von 1855 vollzog. Keines- 
falls anschliessen konnte sich Liechtenstein auch jenem Schritt, der nach 
dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ab dem 1. August 
1938 an die Stelle des Grossteils der eherechtlichen Regelungen des 
ABGB das Gesetz vom 6. Juli 1938 zur Vereinheitlichung des Rechts der 
Eheschliessung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übri- 
gen Reichsgebiet setzte?! Dieses Ehegesetz, das im Gegensatz zum 
ABGB dem traditionellen kirchlichen Eherecht keinen Raum mehr liess, 
behielt Österreich — mit Ausnahme von Bestimmungen nationalsozialis- 
tischen Inhalts — auch nach 1945 bei, da man sich über eine Neuregelung 
nicht einigen konnte. In Liechtenstein blieb es hingegen bis zur Reform 
des Eherechts im Zuge der Justizrechtsreform in den 1970er-Jahren, also 
  
18 Kommissionsbericht (Studium liechtensteinischer Eherechtsfragen) vom Mai 1972. 
Siche LI LA, DM 1972/5 A+B. 
19 Gesetz vom 25. Mai 1868, RGB. 1868 Nr. 47, und Gesetz vom 9. April 1870, 
RGBL 1870 Nr. 51. 
20 RGBL 1856 Nr. 185. 
21 DRGBL 1938 1, S. 807, und GBIC). 1938 Nr. 244. 
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