Elisabeth Berger
Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861.° Von den fünf vor-
gesehenen Teilen — Sachenrecht, Obligationenrecht, Personen- und
Gesellschaftsrecht, Familienrecht, Erbrecht — wurden allerdings nur
zwei Teile verwirklicht: das Sachenrecht (SR) von 1922'° und das Perso-
nen- und Gesellschaftsrecht (PGR) von 1926 und 19281. Die Vervoll-
standigung des Gesetzbuches um die noch ausstindigen Materien schei-
terte primär daran, dass man sich auf politischer Ebene über die Rezep-
tion des Obligationenrechts — schweizerisches Privatrecht oder
Beibehaltung des ABGB - nicht einigen konnte.!? Diese Unschlussigkeit
blockierte die Weiterführung der Privatrechtsreform und blieb auch
nicht ohne Auswirkungen auf das Ehe- und Familienrecht, denn solange
diese Frage nicht geklärt werden konnte, stand dessen Neuregelung gar
nicht zur Debatte.
Vom Eherecht des ABGB zum Ehegesetz 1974 —
eine Reform in Etappen
Das Eherecht war in Liechtenstein die längste Zeit hindurch eine aus-
schliessliche Domäne der katholischen Kirche, das heisst, dass das kano-
nische Recht zugleich als staatliche Eherechtsordnung fungierte. Ein ers-
ter obrigkeitlich-staatlicher Eingriff auf dem Gebiet des Ehewesens
erfolgte durch die Fürstliche Verordnung vom 14. Oktober 1804 betref-
fend die Einführung des politischen Ehekonsenses.'* Es handelte sich
dabei um eine Einschränkung der Ehefreiheit mit dem Zweck, Personen
ohne Beruf und Vermögen die Eingehung einer Ehe zu verwehren, um
einer Vermehrung der Armenlasten im Interesse der allgemeinen Wohl-
9 Gesetz betreffend die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches
im Fürstentum Liechtenstein vom 16. September 1865, LGBl. Nr. 9 und 10. Siehe
hierzu Wille, Neukodifikation, S. 617-622.
10 LGBl. 1923 Nr. 4.
11 LGBl. 1926 Nr. 4; 1928 wurde in Art. 932a das Gesetz über das Treuunternehmen
eingefügt, LGBl. 1928 Nr. 6.
12 Zum Folgenden im Detail Wille, Neukodifikation, S. 623-628.
13 Siehe AT-HALW Exhibitenprotokoll liechtensteinische Hofkanzlei in Wien, 1804/
Nr. 40, online: www.e-archiv.li/D42793 (26. April 2017). Siehe hierzu Wille, Staat
und Kirche, S. 219-222; Wille, Ehe-, Zivilstands- und Biirgerrecht, S. 7-8.
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