Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Elisabeth Berger 
wie einer Reihe von weiteren österreichischen Justizgesetzen.? Ausge- 
nommen von der Geltung blieb allerdings zunächst das Erbrecht des 
ABGB, das in Liechtenstein erst 1847 in Kraft trat.” Das auf diese Weise 
entstandene Naheverhältnis zur österreichischen Rechtsordnung wurde 
noch dadurch vertieft, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
alle in Österreich zu den rezipierten Gesetzen erlassenen Erläuterungen 
und Nachtragsverordnungen automatisch auch in Liechtenstein in 
Geltung traten. Erst ab 1843 trat an dessen Stelle wieder das souveräne 
fürstliche Gesetzgebungsrecht.“ Das hiess aber nicht, dass damit die 
Übernahme österreichischen Rechts beendet worden wäre, sondern be- 
deutete nur, dass nun oft erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung 
rezipiert wurde. 
Zu der auf diese Weise erzielten Rechtsgleichheit traten weitere 
verbindende Faktoren, die die Beziehungen zwischen den beiden Nach- 
barstaaten vertieften. Mehr als ein Jahrhundert lang — von 1818 bis 1922 
— fungierte das fiir Tirol und Vorarlberg zustindige Appellationsgericht 
und spitere Oberlandesgericht in Innsbruck als 3. Instanz in Zivil- und 
Strafsachen fiir Liechtenstein und sorgte durch seine Rechtsprechung fiir 
die Aufrechterhaltung der Rechtstibereinstimmung.® Mehr als ein halbes 
Jahrhundert lang — von 1852 bis 1919 — schuf die zwischen den beiden 
Nachbarländern bestehende Zollunion ein enges wirtschaftliches Nahe- 
verhältnis, das durch eine gemeinsame Währung und ein einheitliches 
Postwesen ergänzt wurde.® Diese Nahebeziehungen führten dazu, dass 
das Fürstentum Liechtenstein vielfach nicht als souveräner Staat, son- 
dern als eine «österreichische Provinz» wahrgenommen wurde. 
2 LI LA, RB G1/1812, Fiirstliche Verordnung vom 18. Februar 1812, online: www.e- 
archivli/D44741 (26. April 2017). 
3 LI LA, SgRV 1846, Erbrechtspatent vom 6. April 1846, online: www.e-archiv.li/ 
D44753 (26. März 2017). 
4 Fürstliche Verordnung vom 20. Januar 1843 (Einstellung der automatischen Re- 
zeption der österreichischen Gesetzgebung zur Rechtspflege). Siehe LI LA, SgRV 
1843, online: www.e-archiv.li/D44766 (26. Mirz 2017). Siche Berger, 190 Jahre 
ABGB, S. 30. 
5 Laich, Zwei Jahrhunderte Justiz, S. 78-79. 
6 Hager, Zoll- und Wirtschaftsunion, S. 27-58; Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, 
S. 294-307, 345-346, 367-388; Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten, Bd. 3, S. 53-99. 
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