Kunstsoziologische Forschung im Fürstentum Liechtenstein
lichkeiten auf höherer Ebene fehlten im Land. Darum besuchte Egon
Rheinberger 1881 bis 1886 das Gymnasium in Feldkirch, lebte danach
bis 1896 in München, wo als Stationen seiner künstlerischen Ausbildung
die Kunstgewerbeschule und die Akademie der Bildenden Künste zu
nennen sind. Welch eine Entscheidung eines Sechzehnjährigen, aus der
liechtensteinischen Provinz in die bayerische Metropole zu gehen, wo
sich Kunststudenten aus aller Welt zusammenfanden. In München lebten
und unterstützten ihn sein Onkel, der Komponist Josef Gabriel Rhein-
berger, und seine Tante, die Dichterin Franziska von Hoffnass, die in
kulturellen und künstlerischen Kreisen der Stadt verkehrten. Nach
Abschluss der Kunstakademie im Jahr 1896 versuchte Rheinberger etwa
zwei Jahre lang, als freischaffender Künstler in München Fuss zu fassen.
Nur wenige Zeugnisse sind aus dieser Zeit erhalten.”
Rückblickend auf Rheinbergers Schul- und Kunstausbildung und
vorausschauend auf seine ersten Schritte als ausgebildeter Künstler lässt
sich feststellen, dass ein familiäres und soziales Netzwerk zum Wohle
des begabten Liechtensteiners wichtige Grundvoraussetzungen schuf.
Bevor Rheinberger 1902 in seine Heimat zurückkehrte, verhalf ihm ein
fürstliches Stipendium zu einer Studienreise nach Italien (1897 bis 1898).
Neben einer Intervention durch Landesverweser Karl von In der Maur
in Vaduz hatte er das Stipendium wohl einem Empfehlungsschreiben sei-
nes Onkels Josef Gabriel Rheinberger zu verdanken. Nach dieser Reise
bemühte sich Egon Rheinberger um Arbeit. 1898 schickte er einen
Bericht mit Skizzen von seinen Reisestationen an den Landesfürsten, um
sich für Aufträge des Fürstenhauses zu empfehlen — mit Erfolg.” Mit sei-
ner Beteiligung am Wiederaufbau der niederösterreichischen Burgen
Liechtenstein und Kreuzenstein für Fürst Johann II. und Hans Graf
Wilczek fand Rheinberger bis 1901 ein Auskommen.
Welchen existenziellen Boden fand Rheinberger 1902 im Fürsten-
tum Liechtenstein vor? 1901 waren seine Mutter und sein Onkel Josef
Gabriel Rheinberger, bereits 1892 seine Tante Franziska sowie 1893 sein
Vater verstorben. Egon Rheinberger erbte eine beträchtliche Summe
Geld, die es ihm ermöglichte, das Leben zu bestreiten.“ Aufträge waren
31 Ohneberg, Miinchen — Lehrjahre, S. 22-26.
32 Ebenda.
33 Hasler, Italienreise.
34 Ohneberg, Zeittafel, S. 109.
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