Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Günther Boss 
Konzils ablehnt und weiterhin im sogenannten tridentinischen Ritus 
zelebriert. Geistesgeschichtlich wesentlich gravierender ist der Umstand, 
dass die Piusbruderschaft auch die dialogische Religionstheologie von 
Nostra aetate ablehnt. Zudem akzeptiert sie die wichtige Konzilserklä- 
rung Dzgnitatis humanae nicht, in welcher die Kirche das moderne Prin- 
zip der Religionsfreiheit bejaht. Die Piusbruderschatt hilt in einem vor- 
konziliaren Sinne am Prinzip extra ecclesiam nulla salus fest. Zwischen 
den antisemitischen Ausserungen eines Bischofs Richard Williamson, 
welche 2009 fir Entsetzen sorgten, und der Ablehnung von Nostra 
aetate besteht ein direkter Zusammenhang.” 
Peter Hünermann, Doyen der deutschsprachigen Theologie und 
Herausgeber des grossen Kommentarwerks zum Zweiten Vatikanischen 
Konzil (1999 bis 2005), stellte eindringlich klar, dass den Konzilstexten 
eben doch eine unhintergehbare Verbindlichkeit zukommt. Er macht 
den überzeugenden Vorschlag, das Textcorpus des Konzils als «konsti- 
tutionellen Text des Glaubens» zu verstehen, im Sinne einer Verfassung 
der Kirche.® 
Theologie mit Zeitindex 
In der katholischen Lehrtradition ist es üblich, ein Dokument jeweils 
nach den ersten Worten eines Textes zu bezeichnen. Die wohl berühm- 
teste Eingangssentenz unter den Konzilstexten trägt die Pastoralkonsti- 
tution Gaudium et spes: «Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der 
Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, 
sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.»? 
6 Zu Dignitatis humanae siehe Boss, Durchbruch auf dem Konzil, sowie Schocken- 
hoff, Die Erklärung über die Religionsfreiheit. 
7 Zur Piusbruderschaft und zu den antisemitischen Äusserungen von Bischof Wil- 
liamson siehe Eckholt/Heyder (Hrsg.), Peter Hünermann im Gespräch, S.179-181, 
sowie Tück (Hrsg.), Erinnerung an die Zukunft, S. 85-90. Tück urteilt ebenda, S. 87, 
dass «der vom Anglikanismus zur Piusbruderschaft übergetretene Richard Wil- 
liamson ein notorischer Holocaustleugner ist». 
8 Siehe Hiinermann/Hilberath (Hrsg.), Theologischer Kommentar, Bd. 5, S. 76-87. 
Dazu auch Eckholt/Heyder (Hrsg.), Peter Hiinermann im Gesprich, S. 172-174. 
9 Pastorale Konstitution iiber die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 
Artikel 1. 
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