Fabian Frommelt
Erste Fabrikanten
Liechtenstein hatte im 18. Jahrhundert den Anschluss an die pro-
toindustrielle Entwicklung verpasst: Weder waren Manufakturen ent-
standen noch eine Heimindustrie wie in St. Gallen und in Vorarlberg.
Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich auch in Liechtenstein
die von St. Galler Verlagsunternehmern kontrollierte Heimstickerei.!®*
Einer weitergehenden industriellen Entwicklung stand in der ersten
Jahrhunderthilfte die zollpolitische Isolation im Weg. Auch mangelte es
in Liechtenstein an Investitionskapital.
Die einzige erfolgreiche Gründung eines grosseren, exportorien-
tierten Gewerbeunternehmens dieser Zeit war jene von Albert Philipp
Schädler (1813-1874). Der in Vaduz aufgewachsene, zum Hafner ausge-
bildete Sohn von Landesphysikus Gebhard Schädler produzierte ab
1836 in Nendeln Ofenkacheln und Drainagerohre. Die «Tonwarenfa-
brik» zählte 1888 zwölf Beschäftigte und entwickelte sich gegen Ende
des 19. Jahrhunderts zu einem «kleinen Industriebetrieb».!%
Der Abschluss eines Zollvertrags mit Österreich 1852 öffnete den
grossen Markt der Habsburgermonarchie. Nun wurde Liechtenstein für
Schweizer Unternehmer attraktiv. Die Gründung mehrerer Fabrikbe-
triebe ab den 1860er-Jahren führte zu einer ersten Industrialisierung und
zum Entstehen einer Arbeiterschaft!®
Wirtschaftsbürgertum entwickelte sich indes kaum, da sich die meisten
ausländischen Fabrikanten nicht oder nur kurzzeitig in Liechtenstein
niederliessen und nicht Teil des sozialen Gefüges wurden.
Die beiden Glarner Heinrich Weilenmann (1821-1874) und Kaspar
Honegger (1833-1893) griindeten 1861 und 1865 zwei Baumwollwebe-
reien im Vaduzer Muhleholz. Die Fabrik Weilenmanns ging später an
August Wachter (1835-1905) aus Mels (SG) uber. Sie ging 1877 Konkurs
und Wachter verliess das Land. Honegger hatte seinen Betrieb schon
1869 an die Vorarlberger Fabrikantenfamilie Rosenthal verkauft und war
— ein industriekapitalistisches
104 Siehe Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 247-252, 277.
105 Ebenda, S. 255, 278. Siehe auch Jiirgen Schindler, «Schidler, Albert Philipp», in:
HLFL, S. 827; Patrick Sele, «Keramik Werkstatt Schaedler AG», in: HLFL, S. 432.
106 Siehe Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, S. 262-293; Frommelt (Hrsg.), Fabriklerleben;
Patrick Sele, «Industrialisierung», in: HLFL, S. 387-389.
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