Martina Sochin D’Elia
hielten, und anhand der in Zeitungen erschienenen Geleitworte lässt sich
erkennen, dass sich zumindest Liechtenstein damit schwertat, kritische
Themen in den zwischenstaatlichen Beziehungen anzusprechen. Vor
dem Hintergrund, dass die Jubiläen nicht nur als Legitimation für den
Abschluss des Zollvertrags fungieren, sondern gleichzeitig auch eine
Grundlage für eine gemeinsame liechtensteinisch-schweizerische Ge-
schichte bilden sollten, ist dies nicht verwunderlich. Zumindest 1973
wurden Probleme aus der Vergangenheit oder ungelöste Fragen wenigs-
tens am Rande noch angesprochen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten standen
1998 dann aber ganz im Zeichen der erfolgreichen Anpassung des Zoll-
vertrags an den EWR-Beitritt Liechtensteins. Kritisches hatte keinen
Platz mehr.
Regierungschef-Stellvertreter Walter Kieber meinte zum Zollver-
tragsjubiläum 1973 zwar, dass diesseits und jenseits des Rheins in der
Vergangenheit wohl auch «Fragen» aufgetaucht seien, dass diese «uns
[aber] nicht beirren und schon gar nicht hindern [sollen], dem Schwei-
zer Volk und seinen Behörden in echter und aufrichtiger Anerkennung
gegenüberzutreten».?®
Im Gegensatz zu den liechtensteinischen Politikern scheuten sich
Schweizer Staatsvertreter nicht, Probleme anzusprechen. Von der
St. Galler Regierung in den 1960er-Jahren forcierte Projekte für ein öl-
thermisches Kraftwerk und ein Atomkraftwerk in Rüthi sowie der
Bau einer Heizöl-Destillationsanlage in Sennwald etwa stiessen in
Liechtenstein auf regen Widerstand und führten 1973 zur Gründung der
Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz.” Doch weder das
Fürstenhaus noch die liechtensteinische Regierung oder der Landtag
thematisierten anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten die geplanten
Kraftwerke. Anders eine Delegation des Schweizervereins ın Liechten-
stein, die im März 1973 anlässlich des Jubiläums nach Bern gereist war
und sich unter anderem auch mit Bundesrat Kurt Furgler traf. Ohne in
offizieller Mission unterwegs zu sein, sprach die Delegation die Proble-
matik an und erhielt von Bundesrat Kurt Furgler die Antwort, dass er in
58 Walter Kieber, Mit Optimismus in die Zukunft!, in: Liechtensteiner Volksblatt,
31. März 1973, 5. 2.
59 Zum Hintergrund der Gründung siehe Regula Imhof, «Liechtensteinische Gesell-
schaft für Umweltschutz (LGU)», in: HLFL, S. 556.
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