Zollvertragsjubiläen
läum,* das sich allgemein aus den kirchlichen Jubiläumsfeiern heraus
entwickelt hat,° ist spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als
«Ergebnis von Prozessen der Nationsbildung»” zu einer festen Grösse
der Geschichtskultur geworden, nicht selten verbunden mit der Stilisie-
rung eines Mythos. Historische Museen planen ihre Ausstellungen häu-
fig hinsichtlich der in naher Zukunft anstehenden Jubiläen und auch
Verlage und Medien richten ihre historischen Programme an Jubiläen
aus. Nicht zuletzt wird auch die Geschichtswahrnehmung und Ge-
schichtspolitik eines Staates in wesentlichen Teilen durch relevante Jubi-
läen gesteuert.® Eine öffentliche Erinnerungs- und Festkultur ohne Jubi-
läen ist heute kaum mehr vorstellbar.?
In Anlehnung an Aleida Assmann werden im vorliegenden Beitrag
die Zollvertragsjubiläen denn auch als «Denkmäler in der Zeit»"°
betrachtet. Als geschichtliche Vergegenwärtigung also, die nicht örtlich
gebunden ist, die aber periodisch zurückgeholt und einer allgemeinen
Öffentlichkeit (immer wieder) ins Bewusstsein gebracht wird. Gleich-
zeitig sind Jubiläen auch als «Verlängerung der Geschichte in die Zu-
kunft»!! zu verstehen. So wird an Jubiläen meist der Versuch unternom-
men, den erreichten Fortschritt zu verdeutlichen, und die Absicht zu
bekunden, den Fortschritt auszubauen.'? Die Beziehung, die zwischen
dem historischen Ereignis und der Gegenwart hergestellt wird, soll also
5 Der Begriff «historisches Jubiläum» mag verwirrend wirken, erklärt sich aber aus
der ursprünglichen kirchlichen, spirituellen Verwendung, in der das Jubiläum nicht
mit der heute geläufigen Vorstellung einer Geschichtsfeier konnotiert wurde, son-
dern mit einem Neuanfang. Vom «historischen Jubiläum», das die Historizität des
Jubiläumszyklus deutlich machen soll, wird im vorliegenden Beitrag ausgegangen,
ohne die Begrifflichkeit wiederholt zu bemühen. Siehe dazu auch Müller, Das his-
torische Jubiläum, S. 8.
6 Siehe dazu ausführlicher Mitterauer, Anniversarium und Jubilium, S. 24-25, 32, 51,
60-61.
7 Stekl, Offentliche Gedenktage und Jubilien in Zentraleuropa, S. 191.
8 Siehe Sabrow, Jahrestag und Jubiläum in der Zeitgeschichte, S. 11, 15. In einem frü-
heren Aufsatz hat Martin Sabrow diese nachfrageorientierte Wendung der
Geschichtswissenschaft hin zur ereignis- beziehungsweise jubiläumsfixierten For-
schung bemängelt. Siehe Sabrow, Das Unbehagen an der Aufarbeitung, S. 17.
9 Siehe Müller, Das historische Jubiläum, S. 1.
10 Siehe Assmann, Jahrestage, S. 313.
11 Müller, Das historische Jubiläum, S. 2.
12 Siehe Assmann, Jahrestage, S. 312; Sabrow, Jahrestag und Jubiläum in der Zeitge-
schichte, S. 13; Ospelt, 300 Jahre Liechtensteiner Oberland, S. 174.
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