Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Urs Altermatt 
sionelle Programm wirkte in Westdeutschland als Integrationskraft, denn 
die schreckliche Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur hatte die 
Gründung einer christlichen Partei zum Gebot der Stunde gemacht. 
Nach dem Vorbild der deutschen CDU/CSU gaben sich nach dem 
Zweiten Vatikanischen Konzil in gemischtkonfessionellen Ländern wie 
den Niederlanden und in der Schweiz die christlichen Parteien ebenfalls 
interkonfessionelle Programme. In den Niederlanden bildeten die bisher 
getrennt marschierenden katholischen und protestantischen Parteien 
1980 eine Partei unter dem Namen «Christlichdemokratischer Appell». 
In der vom Krieg verschonten Schweiz blieben die Schranken zwischen 
Katholiken, Protestanten und Säkularen trotz der allgemeinen Säkulari- 
sierung bestehen. Die Evangelische Volkspartei war nicht gewillt, mit 
der grossen katholischen Volkspartei enger zusammenzuarbeiten, ge- 
schweige denn zu fusionieren. Die Christlichdemokratische Volkspartei 
(CVP) wurde auch nach deren konfessioneller Öffnung von 1970 in der 
breiten Öffentlichkeit weiterhin als katholische Partei perzipiert.” 
Seit den 1970er-Jahren fanden in Westeuropa Transformationspro- 
zesse statt, die auf der rechten Seite des Parteienspektrums zum Aufstieg 
nationalistischer und rechtspopulistischer Parteibewegungen führten. 
Da sich die C-Parteien traditionell auf ein christlich-konservatives Elek- 
torat stützten, stürzten diese Umbrüche die Christlichdemokraten in 
eine Krise. Die rapide Säkularisierung der europäischen Gesellschaft 
entzog ihrer christlich fundierten Weltanschauung die soziale Basis. Die 
Individualisierungsprozesse lösten alte Sozialbindungen auf, das die 
C-Parteien stützende katholische Milieu erodierte. Der Zusammen- 
bruch des italienischen Parteiensystems riss die Democrazia Cristiana in 
Italien in den Untergang. Auch die deutschen Christlichdemokraten 
zahlten der konservativen Wende ihren Tribut und wandelten sich spä- 
testens nach 1989 von einer christlichen Weltanschauungs- zu einer bür- 
gerlich-konservativen Sammlungspartei. Mit wechselnden Partnern blie- 
ben sie jedoch Regierungspartei. Ähnliche Verluste mussten die Christ- 
lichdemokraten in Österreich, in den Niederlanden und in Belgien 
hinnehmen. Allerdings verzeichneten die ÖVP in Österreich unter 
Wolfgang Schüssel (2000 bis 2007) und die CDA in den Niederlanden 
  
5 Altermatt, Das historische Dilemma der CVP. 
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