Bodenreform in der Tschechoslowakei
5205 ha Land verkauft worden. Im freien Verkauf erhielten Neuerwer-
ber 2721 ha Land, womit verstreute Grundstücke und Bauland vereinigt
werden sollten. Insgesamt handelte es sich dabei um 60 427 ha. Von der
Gesamtfläche waren noch 98 904 ha geblieben. Im Jahre 1930 wurden in
der verkürzten Zuteilung weitere 2520 ha aus den Grossgrundbesitzen
Neuschloss und Mährisch Trübau abgetreten. In die Schlussphase der
Verhandlungen mit dem Bodenamt trat das Haus Liechtenstein laut eige-
nen Angaben mit 98 284 ha Land ein.“ Den Gesprächen sah es allerdings
mit einiger Sorge entgegen.
In den Parlamentswahlen, die in der Tschechoslowakei am 27. Ok-
tober 1929 stattgefunden hatten, hatte die kommunistische Linke grosse
Gewinne gemacht, die bis dahin regierende Rechte war geschwächt.
Daher war es nicht auszuschliessen, dass das Bodenamt weitere Ansprü-
che hinsichtlich des liechtensteinischen Bodens stellen würde. Dessen
Präsident VoZenilek war «wie auch schon in der Vergangenheit nicht
bereit, ihnen auch nur im geringsten entgegenzukommen».* Der fürstli-
che Zentraldirektor Anderka hatte glaubwürdige Nachrichten, dass es so
auch schon dem Hause Schwarzenberg ergangen war, wobei die tsche-
chischen politischen Parteien Druck auf das Bodenamt ausgeübt hätten,
umstrittene Waldflächen auch mittels der Zwangsvollstreckung zu über-
nehmen. Deshalb traf sich Anderka in Prag mit nicht näher benannten,
der Familie Liechtenstein freundlich gesinnten Vertretern einiger politi-
scher Parteien. Diese Parteien wollten laut Anderka keine Zeit verlieren,
sondern, um einer unangenehmen Überraschung seitens der Linken
zuvorzukommen, die Reform auf den grössten Grossgrundbesitzen
schnellstmöglich abschliessen, also unter anderem auf den Gütern des
Hauses Liechtenstein, des Hauses Schwarzenberg-Frauenberg und des
Olmützer Erzbistums. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hierbei
um deutsche und einige tschechische Agrarier.* Die Partei der deutschen
42 MLA, F 28, Karton 261, Die Entwicklung der Land- und Forstreform auf den Län-
dereien des herrschenden Fiirsten von Liechtenstein, ohne Datum und Nummer
(1931).
43 SL-HA, Fonds Kabinettskanzlei, Karton 1-111, 1930, Anderka an den fiirstlichen
Kabinettsdirektor Josef Martin, 12. Januar 1930.
44 Die Republikanische Partei des tschechoslowakischen kleinbiuerlichen und land-
wirtschaftlichen Volkes (kurz Agrarpartei) war in der betreffenden Zeit die stärkste
politische Partei in der Tschechoslowakei. Sie stützte sich hauptsächlich auf die klei-
nen und mittleren Bauern und forderte daher vehement die Bodenreform. Ihr klei-
195