Väclav Horcicka
Konfiskation war ausgeschlossen, in Betracht kam lediglich eine Enteig-
nung mit Kompensationsleistungen im Rahmen der ersten tschechoslo-
wakischen Bodenreform.
Der Verlauf der Reform auf den liechtensteinischen
Gütern in den 1920er-Jahren
Diese Reform wurde bereits zu Anfang der 1920er-Jahre auf den Gütern
der Familie Liechtenstein begonnen. Geleitet wurde sie vom Staatlichen
Bodenamt, das seine Tätigkeit Anfang November 1919 aufgenommen
hatte.” Obgleich die Situation ernst war, zeigten sich hochrangige Ver-
treter des Bodenamts sowohl zu Gesprächen als auch zu gewissen Kon-
zessionen bereit. Anfangs wurde insbesondere über die grossen Güter
Hohenstadt, Mährisch Aussee, Mährisch Sternberg, Rumburg und
Jägerndorf verhandelt.?* Bei den Verhandlungen mit den Vertretern des
Fürstenhauses, die im Juli 1921 stattfanden, kündigten die Vertreter des
Bodenamtes zunächst an, neben den oben genannten Gütern auch Inte-
resse am Gut Lundenburg zu haben. Offensichtlich war man bestrebt,
die Wälder im Grenzgebiet in staatlichen Besitz zu bringen, was die
liechtensteinische Zentraldirektion? zu der Einsicht führte, den Gross-
23 Horik, Liechtensteinové, S. 79.
24 MLA, F 29, Karton 90, Liechtensteinisches Justizreferat an den Fiirsten, 7. Juli 1921.
25 Die für die Verwaltung der fürstlichen Güter in der neu entstandenen Tschechoslo-
wakei zuständige «fürstlich liechtenstein’sche Zentraldirektion» mit Sitz in Kolodei
wurde im Juli 1919 gegründet. An ihrer Spitze standen zwei Direktoren, Franz
Kresl und Viktor Kaplan. Die Forstdirektion Olmütz, welche auch die fürstlichen
Wälder ausserhalb der Tschechoslowakei verwaltete, war jedoch davon ausgenom-
men. Diese wurde von Anton Anderka geleitet. Daneben gab es noch zwei weitere
fürstliche Ämter mit Sitz in Wien. Die persönlichen Angelegenheiten des Fürsten
wurden von der Kabinettskanzlei verwaltet, die Verwaltung des Eigentums ausser-
halb der Tschechoslowakei ab 1920 von der Fürstlich Liechtensteinischen Zentral-
kanzlei (bis dahin Hofkanzlei genannt). Siehe SL-HA, Fonds Kabinettskanzlei,
Richtlinien für die Reorganisation der Zentralbehörden. Höchste Entschliessung,
Nr. Präs. No. 823, 23. November 1920, sowie Keller-Giger, Zwei Länder — ein Fiirs-
tenhaus, S. 112. Laut Keller-Giger siedelte die Direktion zum 1. Oktober 1924 aus
Kolodei nach Olmiitz um. Die Olmiitzer Zentraldirektion wurde von Anton An-
derka geleitet, der für die Verwaltung des Eigentums in den Böhmischen Ländern,
im Falle der Wälder auch für Österreich zuständig war. Für die Information danke
ich Dr. Arthur Stögmann von Liechtenstein, The Princely Collections in Wien.
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