Emanuel Schädler
über eine Vermittlung durch Emil Beck, damals Geschäftsträger der
liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern und Präsident des liechten-
steinischen Obersten Gerichtshofes, schweizerische Rezeptionsvorlagen
zu Wilhelm Beck gelangt sein.“ Beide arbeiteten verschiedentlich
zusammen, insbesondere im Auftrag der liechtensteinischen Regierung,
und Emil Beck war sowohl mit den eidgenössischen Behörden als auch
mit der Universität Bern bestens vernetzt.
Daneben bedarf es möglicherweise einer neuen geistigen Haltung
gegenüber der Entstehung des Landesverwaltungspflegegesetzes, indem
einige bisher vernachlässigte Umstände verstärkt in Betracht gezogen
werden. So ist vielleicht die Eigenleistung Wilhelm Becks bei dessen
Ausarbeitung wesentlich höher zu veranschlagen, als bisher angenom-
men. Womöglich hat sich die Rezeptionsvorlage unter seinen Händen
derart verändert, dass sie nur noch äusserst fragmentarisch durch all die
Ergänzungen, Abänderungen und Streichungen hindurchscheint. Die
ausufernde Kasuistik vieler Vorschriften des Landesverwaltungspflege-
gesetzes im Gegensatz zu den prägnanteren Normen der Vorentwürfe
oder des späteren Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes würde
einen solchen Befund jedenfalls stützen. Allenfalls kommt dabei noch
ein stärkerer Einfluss aus anderen Verfahrensordnungen hinzu, nament-
lich aus der österreichischen Civilproceßordnung von 1895 beziehungs-
weise aus der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912, welche
bisher in der Forschung nicht als Rezeptionsvorlagen im engeren Sinne
berücksichtigt worden sind. Die obige überprüfende Rekonstruktion
hat allerdings gezeigt, dass auch sie teilweise als Rezeptionsvorlagen
herangezogen worden sind.
Ebenfalls gilt es zu bedenken, dass das Landesverwaltungspflege-
gesetz — mehr als bislang vermutet — ein Konglomerat einer Vielzahl von
Rezeptionsvorlagen unter Beimischung weitreichender Texteingriffe
vonseiten Wilhelm Becks sein konnte. Anstelle einer einzigen, wegwei-
senden Rezeptionsvorlage kimen in diesem Fall mehrere gleichermassen
in Betracht, von denen allen gemeinsam Einflüsse ins Landesverwal-
tungspflegegesetz eingegangen sein könnten. Der Befund der durchge-
führten überprüfenden Rekonstruktion deutet in diese Richtung, wenn
45 Siche Rupert Quaderer, «Beck, Emil», in: HLFL, S. 78-79.
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