Volksabstimmungen über die Verfassung
Die Mandatsverteilung von 1978 motivierte die Bürgerpartei, erneut eine
Volksinitiative zur Einführung einer Mehrheitsklausel zu starten. Die
parteipolitische Ausgangslage war die gleiche wie 1975, und wiederum
scheiterte die Initiative in der Abstimmung am 8./10. Mai 1981 knapp,
diesmal mit 47,1 Prozent Ja-Stimmen.°° Damit war dieses Thema erle-
digt. Ein neuer Anlauf ist bis in die Gegenwart nicht mehr erfolgt. Mit
dem Auftreten neuer Parteien seit den Wahlen 1986 ist die absolute
Mehrheit an landesweiten Stimmen bei Landtagswahlen ohnehin nicht
mehr vorgekommen.
Ironie des Schicksals ist allerdings, dass bei den Wahlen am 7. Feb-
ruar 1993 nunmehr die Vaterländische Union landesweit mehr Stimmen
erzielte als die Fortschrittliche Bürgerpartei, aber weniger Mandate
erringen konnte. Es ging jedoch nicht mehr um die absolute Mehrheit,
da die Freie Liste (FL) 10,4 Prozent der Stimmen und zwei Mandate
erzielte. Mit 45,4 Prozent eroberte die Union 11 Mandate im nunmehr
25-köpfigen Landtag, während die Bürgerpartei mit 44,2 Prozent Stim-
menanteil 12 Mandate erreichte.” Der Mandatsvorsprung bewirkte, dass
die Bürgerpartei den Regierungschef und die Mehrheit in der Regierung
stellen konnte.” Eine solche Arithmetik ist wegen der separaten Wahl in
zwei Wahlkreisen jederzeit möglich. Die Unabhängigkeit der beiden
Wahlkreise Oberland und Unterland ist bisher gegenüber einer Mehr-
heitsklausel allerdings erfolgreich verteidigt worden.
Die Wahlkreisfrage hat auch in den Auseinandersetzungen um die
Zahl an Abgeordneten beziehungsweise die Anzahl der Mandate in den
beiden Wahlkreisen immer eine Rolle gespielt. Mit 6 von 15 Abgeordne-
ten — beziehungsweise 10 von 25 Abgeordneten seit 1989 — ist das Ver-
hältnis von Oberländer und Unterländer Abgeordneten immer gleich
50 Vogt, 125 Jahre Landtag, S. 251; Amt für Statistik, T_10.2_05.
51 Amt fiir Statistik, T_10.1_06; Amtliche Kundmachung, in: Liechtensteiner Vater-
land / Liechtensteiner Volksblatt vom 13. Februar 1993.
52 Das Gliick der FBP war allerdings nur von kurzer Dauer. Nachdem sie von 1978 bis
1993 Juniorpartner in der Regierung gewesen war, siegte sie im Frühjahr 1993 und
stellte mit Markus Büchel den Regierungschef. Im Herbst 1993 jedoch entzog der
Landtag Büchel das Vertrauen, der Fürst löste den Landtag auf, die Vaterländische
Union ging mit mehr Mandaten als die Fortschrittliche Bürgerpartei aus der Wahl
hervor und stellte künftig den Regierungschef (Mario Frick) und die Mehrheit in der
Regierung. Ausführlich bei Eugster, Regierungskrise. Wahlresultat siehe Amt für
Statistik, T_10.1_06.
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