Konkret zur Landwirtschaft finden sich erst ab den 1960er Jahren Einträge in den Protokollen.
Im Zuge der Neuerungen im Sozialwesen wurde auch der Gutsbetrieb des Bürgerheims unter
die Lupe genommen. Mit einem Gutachten sollten die Betriebsverhältnisse genauer untersucht
werden. Das Gutachten wurde bei der kantonalen Landwirtschaftsschule Gusterhof in Rheineck
St. Gallen in Auftrag gegeben. *° Aus dem Gutachten wurde ersichtlich, dass sich das
Wirtschaftsgebäude in einem guten Zustand befand, jedoch den zu erfüllenden Anforderungen
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nicht mehr genügte. Um hier „eine arbeitswirtschaftliche günstigere Lösung zu finden
müssten erhebliche Investitionen getätigt werden. Hinzu kam, dass ein Großteil der Nutzfläche
in naher Zukunft wohl überbaut werden würde und die überbleibenden 17 ha einen Anfahrtsweg
von 1.5-2 km gehabt hätten sowie in „17 unrationell zu bewirtschaftenden Parzellen
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zerstiickelt waren. Den Arbeitsweg zum Feld legten die zur Arbeit angehaltenen
Insass_innen wohl in einer Einerreihe zuriick. Im Gespréch erzahlte mir Annelies Jehle, eine
ältere Nachbarin, dass in ihrer Familie der Spruch , Ma goht ned wiad Armahiiiisler ***
Verwendung fand. Dies immer, wenn sie nicht nebeneinander, sondern in einer Einerreihe
liefen.‘
Der Gutsbetrieb widmete sich insbesondere der Viehwirtschaft, so hatte der Betrieb rund 32
Großvieheinheiten zur Zeit des Gutachtens. Fünf Hektar der insgesamt 30 zur Verfügung
stehenden Hektare waren Ackerfläche. Diese wurden mit Silomais, Weizen oder Frühkartoffeln
für Zwischenfutter bebaut. Ideal wäre es gewesen, Gemüseanbau auf den Flächen zu betreiben,
doch, so das Gutachten, verursachten „die meist arbeitsintensiven Gemüsekulturen auf einem
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Verwalterbetrieb viel zu hohe Angestelltenkosten“’” und konnten in der heutigen Zeit ,,von
einem Angestellten der im Monatslohn arbeitet“ nicht mehr verlangt werden.“
55 GAS Gemeinderatsprotokoll 27. März 1969.
6 GAS Gemeinderatsprotokoll 27. März 1969: Gutachten über die Betriebsverhältnisse des Gutsbetriebes des
Bürgerheims.
57 GAS Gemeinderatsprotokoll 27. März 1969: Gutachten über die Betriebsverhältnisse des Gutsbetriebes des
Bürgerheims
358 Diese Anekdote erzählte mir Annelies Jehle im September 2015 bei einem Gespräch über Schaan und meine
Arbeit über das Armenhaus. Dem Spruch „Ma goht ned wiad Armahüüsler“, auch wenn dieser lediglich in ihrer
Familie Verwendung fand, kann durchaus entnommen werden, dass die Bezeichnung „Armahüüsler“ sehr wohl
eine stigmatisierende Wirkung hatte. Darüber hinaus weist die Aussage daraufhin, dass die Insass_innen der
Armenanstalt auch in der Gemeinde als solche wahrgenommen wurden.
59 GAS Gemeinderatsprotokoll 27. März 1969: Gutachten über die Betriebsverhältnisse des Gutsbetriebes des
Bürgerheims
%0 GAS Gemeinderatsprotokoll 27. März 1969: Gutachten über die Betriebsverhältnisse des Gutsbetriebes des
Bürgerheims.
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