2. Rahmenbedingungen: Liechtenstein im 19. Jahrhundert
2.1 Politische Strukturen
Liechtenstein erstreckt sich auf gut 160 km? im oberen Rheintal und ist bis auf die Talebene am
Rhein, welcher die Grenze zum Schweizer Kanton St. Gallen bildet, Gebirgsgebiet. Im Süden
grenzt Liechtenstein an den ebenfalls Schweizer Kanton Graubünden und im Osten wie Norden
an das österreichische Bundesland Vorarlberg.
Die heutigen elf politischen Gemeinden! sind in zwei Wahlkreise, das Unter- und Oberland,
aufgeteilt. Diese beiden Wahlkreise entsprechen der ehemaligen Herrschaft Schellenberg und
der ehemaligen Grafschaft Vaduz, welche 1699 respektive 1712 durch Fürst Johann Adam
Andreas von Liechtenstein, „der Reiche“ genannt, von den „hoch verschuldeten“ Grafen von
Hohenems erworben wurden. Bis dahin entwickelte sich die Geschichte dieser beiden
Landschaften unabhängig vom Haus Liechtenstein. Am 23. Januar 1719 „erhob Kaiser Karl VI.
die beiden Reichsherrschaften Vaduz und Schellenberg zum unmittelbaren Reichsfürstentum
unter dem Namen Liechtenstein.“* Hiermit erreichte das Haus Liechtenstein sein angestrebtes
Ziel, nämlich „Sitz und Stimme im Reichstag in Regensburg.“* Mit der am 12. Juli 1806 „ohne
zutun Liechtensteins“ vollzogenen Aufnahme in den von Napoleon gegründeten Rheinbund,
erlangte Liechtenstein seine Souveränität, welche mit dem 1815 erfolgten Eintritt in den
Deutschen Bund bestätigt wurde.*
Nach der Übernahme der Landschaften durch den Fürsten Anton Florian,* „wurden um 1720
die Gewohnheitsrechte abgeschafft und die Einrichtungen der Landamménner® und der
Gerichtsgemeinden beseitigt.“” Dies geschah aufgrund der Dienstinstruktionen vom 10. April
1719. Der Fürst war nun der alleinige Souverén in Liechtenstein und wurde durch das Oberamt
in Liechtenstein vertreten. Das dreikopfige ,,Oberamt nahm zugleich die Funktion des
! Ruggel, Schellenberg, Gamprin, Mauren-Schaanwald, Eschen-Nendeln im sogenannten Unterland und Schaan,
Planken, Vaduz, Triesen, Triesenberg, Balzers im so genannten Oberland.
2 Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, 71-72.
3 Biedermann, Aus Uberzeugung, 25.
* Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, 73.
> War Erzieher Karls VI. vgl. Waschkuhn, Politisches System Liechtensteins, 17.
© Unter Amtmann oder Ammann versteht man im „süddeutschen-schweizerischen Raum im Mittelalter den
Inhaber eines herrschaftlichen Amts.“ In Vaduz sind diese ab 1314 belegt. Der Landammann wurde „von den
Untertanen aus einem Dreiervorschlag der Herrschaft gewählt“ und war der Vorsitzende des landschaftlichen
Gerichts, repräsentierte die Landschaften und war bemächtigt Urkunden zu siegeln. Weiters gab er „in der
Landschaftsrechnung Rechenschaft“ ab. Burmeister, Landammann. In: HLFL, Bd.1, 470, 473.
7 Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, 75.