Janine Köpfli
servativ, traditionell, fröhlich, dezent, leise. Alles, was zeitgenössische
Kunst nur selten ist. BBKL-Präsident Johann Feichter sagte in einem
Interview 2014 auf die Frage «Wie schätzen Sie die Situation in Liech-
tenstein generell ein — haben unkonventionelle Kunstwerke es schwer, an
öffentlichen Orten akzeptiert zu werden?»: «Ich glaube schon, aber
nicht nur in Liechtenstein. Zeitgenössische Kunst ist immer unkonven-
tionell oder sie imitiert nur. Kunst im öffentlichen Raum gibt oft Anlass
für Debatten, man denke an den Hafenkran in Zürich oder an den <Fixer
von Lilian Hasler, der nach wie vor Anlass zu Diskussionen gibt. Man
wünscht sich hier etwas mehr Mut vonseiten der Politik, Diskussionen
auszuhalten und Druck nicht sofort nachzugeben.»*
Im ländlich-konservativen Liechtenstein gilt meist das als gute und
schöne Kunst, was die Betrachter freudestrahlend sagen lässt: «Es ist so
schön und alle freuen sich darüber.» In dieses Rezept der Freude und zu-
rückhaltender Schönheit passen keine schwarzen Jahreseier, die aussehen
wie Granaten (Werner Marzxer, 2007), schwarze Quader mitten in Vaduz
(Morger & Degelo / Kerez, 2000) oder eben zu grosse Busen — ganz egal
ob hellblau oder rosa.
Auch kritische Texte und kritische Theaterstücke haben einen
schweren Stand. Bis heute ist beispielsweise nicht klar, warum beim
Theaterstück «Rubel, Riet und Rock’n’ Roll» (2015) an der Premiere
Gäste mitten im Stück ihre Plätze verliessen. Das Stück beleuchtet den
Aufstieg des Landes vom Agrarstaat zum Finanzplatz. War es zu kri-
tisch? Autor Stefan Sprenger hielt sich in Sachen Kritik mehr als zurück,
was einige Zuschauer fast schon enttäuschte. Tatsächlich gab es kaum
Kritik, nicht einmal zwischen den Zeilen. Und dennoch passte offenbar
etwas den kritikscheuen Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern
ganz und gar nicht.
«Don’t mess with the prince»
Ganz generell hat es Kunst- und Kulturkritik in Liechtenstein schwer.
Im Ausland wird man als Journalistin oft gefragt, ob man denn den Fürst
kritisieren dürfe. Tatsächlich gibt es einige Bereiche, wo Kritik, wenn
8 Hüppi, «Wenig respektvolles Vorgehen», Liechtensteiner Vaterland, 4. November 2014.
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