Friedemann Malsch
Malin deklariert mit diesen Worten en passant nicht nur die moderne
Abteilung als Grafik-Sammlung, sondern definiert zugleich ihren
Moderne-Begriff, der den Zeitraum vom späten 18. Jahrhundert bis zur
Gegenwart umfasst, also das Zeitalter der Aufklärung. Die im Katalog
zur Ausstellung gelisteten ersten 67 Erwerbungen lassen das Bemühen
erkennen, die Sammlung breit aufzustellen und ihr zugleich einige
Schwerpunkte zu verleihen. Es handelt sich mit einer Ausnahme (Alber-
to Giacometti) um Werke von Malern und Zeichnern, deren künstleri-
sche Verortung das westeuropäische und US-amerikanische Kunstge-
schehen seit 1900 exemplarisch abbildet.
Über die inhaltliche Ausrichtung der Sammlung hinaus definiert
Malin auch die weiteren künftigen Tätigkeitsfelder der Staatlichen
Kunstsammlung, indem er zwischen Ausstellungen und Ankaufspraxis
unterscheidet. Die Ausstellungstätigkeit begründet er mit den Worten:
«Um der Institution eine Berechtigung zu geben, ist ein reger Ausstel-
lungsbetrieb notwendig. Das Wagnis und die Freude am Experiment
dürfen nicht missgedeutet werden; manchmal genügt es zu zeigen, dass
Wege ins Dickicht führen oder zu Sackgassen werden. Erfreulicher aber
werden Ausstellungen sein, die etwas an den Besucher weitergeben, das
mehr als blosse Information zum Kunstgeschehen darstellt. Aus den
Ausstellungen wird sich die Vorstellung formen, die man von der Staat-
lichen Kunstsammlung haben wird.»!? Die Ankaufspraxis wird ebenfalls
grundsätzlich begründet: «Wenn die Staatliche Sammlung ein Beginn ist,
so muss im Wesen auch ihr Bestand neu sein und darf nicht in aus-
schliesslicher Anlehnung an die Vergangenheit die Zukunft verpassen.
Aus diesen Gründen erscheint der Ankauf moderner Kunst, sowohl von
der Sammlungstätigkeit her wie im Blick auf die wirtschaftlichen Mög-
lichkeiten der Sammlung, das Nächstliegende zu sein. Die Sammlung
wächst so mit der Zeit und wird echt, weil sie je Ausdruck jeder Epoche
ist.»!* Ausserdem mahnt er den Aufbau einer Bibliothek zur Kunstge-
schichte an.
Georg Malin nutzt diesen ersten programmatischen Text auch
dazu, die Rolle der Staatlichen Kunstsammlung gesellschaftspolitisch zu
12 Ibid, 5.7.
13 Ibid,, S. 8.
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