Volltext: Wer Bescheid weiss, ist bescheiden

Georg Schierscher 
sammelt, unter diesen mitunter der Gemeindeweibel in einer hinteren 
Bank beim Schild «Kirchenpolizei». Diese Ordnung wurde selbst bei 
den von Zeit zu Zeit stattfindenden Volksmissionen eingehalten. Gele- 
gentlich drehte sich der Zelebrant am Altar, beispielsweise zum Gruss 
«Dominus vobiscum», zum Volk, und dieses antwortete mit «et cum spi- 
ritu tuo». Ob alle Gläubigen wussten, was sie mit dem Kommunionge- 
bet «non sum dignus ut intres sub tectum meum, sed tantum dic verbum 
et sanabitur anima mea» sagten? Selbst die Ministranten, damals aus- 
schliesslich Buben, murmelten das Staffelgebet und weitere «Dienstsätz- 
chen» auf Lateinisch. 
Sonntagspflicht 
Es gab keine Abendmessen, sondern nur die Sonntagsfrühmesse um 6.45 
Uhr und die Spätmesse um 9.00 Uhr. Wer die Kommunion empfangen 
und folglich nicht allzu lange nüchtern bleiben wollte, stieg gern oder 
ungern frühmorgens aus dem Bett und ging zur Frühmesse. Zur Kom- 
munion kniete man an der Kommunionbank nieder und bekam die Hos- 
tie auf die Zunge gelegt; wenn man Pech hatte, streifte sie ein Fingerna- 
gel der gebenden Hand. Einem Trüppchen von vorwiegend männlichen 
Kirchgängern schien es jeweils nach dem Ruf der Sonntagsglocken 
sowohl zu Hause als auch im Kirchenraum nicht so recht zu behagen: als 
Kompromiss erfüllten sie ihre Sonntagspflicht in der Vorhalle und konn- 
ten sich so sogar eine Zigarre gönnen. 
Unter Laien waren damals kaum Messbücher ausser dem «Can- 
tate» im Gebrauch. Es gab keine Kommunionhelfer, keine Laienpredi- 
ger, keine Bussfeiern, keinen Pfarreisaal, keinen Pfarreirat, nur eine 
Friedhofskommission. Gepredigt wurde von der Kanzel, deutlich er- 
höht über den Köpfen der Gläubigen. In frischer Erinnerung ist mir 
noch das von der Kanzel verkündete sonntägliche «Heuen erlaubt», und 
mehr noch Folgendes: Unmittelbar nach der Messe versammelte sich 
vorwiegend der Grossteil der Männer am Fuss der mehrstufigen Kir- 
chentreppe und hörte sich die Mitteilungen an, die der Weibel im Auf- 
trag des Gemeindevorstehers kundtat. Nicht selten wurden dabei — 
wohlgemerkt auf dem Kirchplatz! — die Namen jener Zahlungsunfähi- 
gen oder Zahlungsunwilligen ausgerufen, die mit einer Zwangsversteige- 
rung zu rechnen hatten. 
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