Volltext: Wer Bescheid weiss, ist bescheiden

Die Aktualität der benediktinischen Lebensform 
«Franziskus» betreibt der Jesuitenpater Jorge Mario Bergoglio sozusa- 
gen ordensverbindende Politik. 
Man sieht allein an diesen drei grossen Ordenstraditionen — Bene- 
diktiner, Franziskaner und Jesuiten —-, wie vielfältig die Lebensformen 
und Denktraditionen innerhalb der Kirche sein können. Das Bild ist 
durchaus vielgestaltig und bunt. Die Breite der Lebensformen innerhalb 
des Christentums zeigt auch den Reichtum und die enorme Spannweite 
möglicher Verwirklichungen christlicher Existenz auf. 
Pater Bruno 
Bruno Rieder hatte bereits Germanistik studiert und darin promoviert, 
bevor er ins Kloster Disentis eintrat und in München das Theologiestu- 
dium aufnahm. Ich verbrachte in München als junger Student mein ers- 
tes «Auslandjahr». Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und uns 
schon bei der ersten Begegnung lange über Literatur, die theologische 
Szenerie und das Leben mit seinen Fügungen unterhalten. Pater Bruno 
hat sich ganz viel Zeit genommen und ohne Gewissensbisse das Stun- 
dengebet im Stadtkloster St. Bonifaz, seinem Gastkloster während der 
Münchner Studienzeit, sausen lassen. Vielleicht habe ich schon bei die- 
ser ersten Begegnung auch etwas vom Umgang der Benediktiner mit der 
Zeit erfahren. Benediktiner kennen zwar einen strikt strukturierten Tag 
mit fixierten Zeiten für Gebet, Arbeit, Meditation und Schlaf — aber das 
Zeitgefühl ist gerade deswegen ein anderes als im bürgerlichen Leben. 
Durch diesen Rahmen haben die Mönche Zeit, aufmerksam auf das Ein- 
zelne zu sein, das ihnen gerade jetzt begegnet, achtsam auf das zu sein, 
was ihnen gerade jetzt zugeschickt wird. Eingespannt zwischen End- 
lichkeit und Unendlichkeit — in dieser Mittellage bewegt sich das bene- 
diktinische Zeitgefühl. 
Seit vielen Jahren ist Pater Bruno nun Novizenmeister in Disentis — 
also derjenige Pater, der die neu Eintretenden auf ihrem Weg ins Kloster 
persönlich und spirituell begleitet und ihnen hilft, ihre Berufung zu prü- 
fen. Gegenwärtig ist er auch Dekan der Abtei. Ohne selbst Kandidat oder 
Ordensnovize zu sein, konnte ich durch seine Vermittlung gewisse Aus- 
zeiten im Kloster Disentis verbringen. So habe ich ein Stück weit bene- 
diktinisches Leben und benediktinische Theologie kennengelernt. Es 
sind Quellen, aus denen man auch durchaus im säkularen Alltag schöp- 
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