Souveränität zwischen Rheinbund und Wiener Kongress
Als weiteren Ansatz zum Verständnis der «alles andere als zweifelsfrei
geklärt[en]» Motivation Napoleons führte Bernd Marquardt «die reichs-
politische Stellung des Hauses Liechtenstein und die pure Grösse seiner
reichsmittelbaren Herrschaften um Feldsberg» an, welche eine «Unüber-
gehbarkeit» des Hauses Liechtenstein impliziert haben könnten.”
Jedenfalls sah Press die Souveränität «für ein Land mit nicht einmal
6000 Einwohnern und einem fernen Herrscher, ohne einheimische
Bürokratie oder Intelligenz» als «grosses Problem». Deshalb dürfe man
die seit Peter Kaiser kritisch gesehenen Reformen, die sich, wie Press
betonte, nicht am napoleonisch-rheinbündischen, sondern am österrei-
chisch-josephinischen Vorbild orientierten, nicht gering achten, habe der
«bürokratische Absolutismus liechtensteinischer Prägung» doch den
Übergang des Landes «in die rauhe Luft moderner Staatlichkeit» in
«relativ schonender Weise» eingeleitet. Das Ende der landschaftlichen
Verfassung und deren «Ersetzung durch das uneingeschränkte Regiment
des bürokratisch-autoritär wirkenden fürstlichen Oberamts» aber waren
nach Press der «Preis, den das Land, [...] parallel zu anderen Rhein-
bundstaaten, zu bezahlen hatte». Press erkannte allerdings auch die
«Janusköpfigkeit der liechtensteinischen Rheinbundzeit», indem die
Aufhebung der alten Partizipationsrechte der Bevölkerung nicht von der
Abschaffung der Feudallasten begleitet war.®
Weil «Ansätze, die in Deutschland einst vielfältig vorhanden gewe-
sen waren, in Liechtenstein zu einer besonderen Ausformung und Wei-
terentwicklung gebracht» wurden — weil also die potenziell in allen
reichsunmittelbaren Territorien angelegte Weiterentwicklung zur Souve-
ränität nur in Liechtenstein realisiert wurde —, gilt Press «die liechten-
steinische Geschichte [als] ein über die Landesgrenzen hinaus interes-
santer Modellfall».°
Bestritt Volker Press, dass Napoleons Sympathie zu Johann I. die
Hauptursache für dessen Aufnahme in den Rheinbund gewesen sei,
stellte sein Schüler Georg Schmidt (*1951) in einem erhellenden Aufsatz
Press, Dietmar Willoweit (Hrsg.), Liechtenstein — Fürstliches Haus und staatliche
Ordnung, Vaduz, München, Wien 1987, S.15-85, hier S. 62.
67 Marquardt (Anm. 21), S. 28.
68 Press, Rheinbund (Anm. 66), S. 592.
69 FEbd.,S. 47, 106.
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