Volltext: Frauen in der politischen Elite Liechtensteins

nur eine Wahl, wenn ... zwei gegeneinander sind“ (Interview X 108-109). In dieser Kandi- 
datur lässt sich auch ein leiser Protest gegen die bestehenden traditionellen Clanstruktu- 
ren ausmachen. Selbstbewusst konstatiert sie, dass sie eine viel bessere Ausbildung als 
der andere Kandidat hat und folglich für dieses Amt genauso qualifiziert sei. Jede Stimme 
für sie, deutete sie als Ausdruck für die Unzufriedenheit mit dem bisherigen, von einer 
Grosspartei dominierten Politikstil (Interview X: 110-117). Vor ihrer offiziellen Kandidatur 
nahm sie Kontakt mit den verschiedenen Parteien auf. Nachdem diese nicht mit Begeiste- 
rung auf ihr Ansinnen reagierten, entschied sie sich parteiunabhängig zu kandidieren. Die 
in Aussicht gestellte Unterstützung zweier Parteien und die Überzeugung, dass die anste- 
henden Sachfragen nicht vorrangig von Parteiinteressen geleitet werden sollten, bestárk- 
ten sie in ihrem Vorhaben. An diesem Beispiel kann ein Spannungsfeld ausgemacht wer- 
den, in dem sie sich erfolgreich bewegt. Zum einen sucht sie den Rückhalt bei einer Par- 
tei, scheut sich dann jedoch nicht ohne formelle Unterstützungszusage seitens der Partei- 
en, den Weg alleine zu beschreiten. Ebenfalls die spátere Entscheidung der ,Freien Liste" 
beizutreten, war geprágt von solchen Überlegungen. Herrschte zwar zwischen der Partei 
und ihren politischen Überzeugungen eine weitgehende Übereinstimmung, war für den 
Beitritt ausschlaggebend, dass sie keinem Bindungszwang unterlag. „Bei uns in der ‚Frei- 
en Liste‘ auch jetzt in der Fraktion, es gibt kein[en] Bindungszwang, sondern man hat tat- 
sächlich ein freies Mandat“ (Interview X: 253-256). Hier drückt sich ein starkes Bedürfnis 
nach Freiraum aus. Obwohl sie die Nähe dieses Kollektivs sucht und sich darin auch wie- 
derfindet, will sie in ihrer individuellen Freiheit nicht eingeschränkt werden, sondern will 
weiterhin selbstbestimmt denken und handeln. Dieses Spannungsfeld Einzelkämpferin vs. 
Teamplayerin zeigt sich an verschiedenen Interviewpassagen. Sie weist wiederholt darauf 
hin, dass etwa die erfolgreiche Landtagskandidatur einerseits mit ihrem Einsatz und der 
damit erlangten Bekanntheit, wie auch mit den langjährigen Verdiensten der Partei zu- 
sammenhängt (Interview X: 640-676, 364-370). Doch obwohl sie ohne Partei den Wahl- 
kampf bestritt, war sie in dieser Situation nicht völlig auf sich alleine gestellt. Der Umstand, 
dass sie einer alteingesessenen Familie angehört und das Aufbegehren der beiden Par- 
teien gegen die Dominanz der kandidierenden Partei erleichterten ihre Kandidatur. Auch 
hier gelingt ihr der Spagat im Spannungsfeld. Denn nach wie vor ist sie durch ihre Familie 
stark mit dem Land, diesem Dorf und den Traditionen verbunden und begehrt dennoch 
gegen diese auf, indem sie sich als Gegenkandidatin zur Verfügung stellt. Diese Kandida- 
tur kann nicht allein als Ausdruck ihrer demokratischen Überzeugungen verstanden wer- 
den, sondern ist auch eine Auflehnung gegen die, über Jahrzehnte gewachsenen politi- 
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