3 Viel Kleinkunst im kleinen Land
Aus den vorherigen Ausführungen kündigt sich an, dass sich aus dem dórflichen
Amateurtheater mit der Zeit eine professionelle und institutionelle Theaterkultur entwickelt
hat. Dabei scheint es, als ob sich dieselbe Geschichte zweimal abgespielt hätte: Es formiert
sich eine Kabarettgruppe und auf der Suche nach einer geeigneten Bühne wird ein
Kleintheater gegründet. Die Ausgangslage und Zusammensetzung dieser beiden Kabaretts
und deren Theatergründungen waren jedoch sehr verschieden. In den nachfolgenden
Ausführungen sollen die Gründungsimpulse der zwei Kabarettgruppen und der zwei
Kleintheater in Liechtenstein erläutert werden.
3.1 Kabarett Kaktus
In den 1950er Jahren hat die Jungmannschaft der Gemeinde Schellenberg begonnen, sehr
anspruchsvolle Stücke zu inszenieren.“ Nach vielen Jahren des Enthusiasmus' liess das
Engagement für solche Inszenierungen nach, doch zwei Enthusiasten hatten eine neue Idee:
„Aus der Schellenberger Zeit datiert auch die Idee, in Liechtenstein eine Kabarettgruppe aufzumachen.
Diesbezügliche Überlegungen von Hansruedi Sele trafen sich mit solchen des damaligen Germanistik-
Studenten Alois Büchel. 1964 trat das neugegründete Kabarett ,Kaktus" im Vaduzer „Waldhotel“
erstmals vors Publikum.*?
Sele und Büchel fanden motivierte Mitstreiter bei der Pfadfinder-Abteilung Vaduz, die jeweils
am Ostermontag einen Unterhaltungsabend mit theatralischen Nummern gestalteten. So
formierte sich auf der Bühne eine Truppe aus fünf Darstellenden (Hermann Hassler +, Sissy
Hilü t, Hermi Kindle, Hansruedi Sele und Josef Biedermann) mit einem Pianisten (Harald
Wanger 7, spáter Georg Schneider), der die Lieder komponierte und die Kabarettaufführungen
musikalisch begleitete. Die Texte wurden hauptsáchlich von Alois Büchel verfasst, der auch
als Regisseur der Kabarettgruppe agierte. Die Kabarettszene in Deutschland, Osterreich und
der Schweiz verfolgte man eher nebenher: „Alois Büchel hat sich dort auch 'befruchten'
«10
lassen.“ ™, wie Josef Biedermann sich an die Zeit erinnert. Der Bezug zum Land und seiner
8 Die Jungmannschaft ist ein Verein für junge Männer, wie die Pfadfinder, Jungwacht, etc.
9 Schremser 2000, S. 216. - Das Waldhotel hatte einen kleinen Saal im Restaurant, der für diese
Kabarettaufführung diente.
10 Vgl. Transkript zum Interview mit Josef Biedermann vom 27.03.2015. Ebenda: „Mi[r] kommen die
Münchner Lach- und Schiessgesellschaft^ und Hanns Dieter Hüsch aus Deutschland in den Sinn, oder das
Cabarett Rotstift, Alfred Rasser, César Keiser und Margrit Láubli aus der Schweiz."