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Beschwerde Dr. Emilie Kempins, vom 16. Dezember 1886, reagiert werden, die sich unter anderem
auch auf das bernische Frauenstimmrecht berief, um die Zulassung als Anwältin zu erwirken, welche
ihr aufgrund des fehlenden ,,Aktivbürgerrechtes", verwehrt wurde. Der reaktionäre Akt in Bern fachte
die Frauenstimmrechtsbewegung an. 1907 wurde der bernische Frauenstimmrechtsverband gegründet
und 1909 kam es zur Gründung des schweizerischen Frauenstimmrechtsverbands durch
Zusammenschluss mehrerer Vereine.
In Österreich kam es anlässlich der bevorstehenden Eingemeindung der Wiener Vororte in die
Grossgemeinde Wien 1890 zur ersten politischen Frauenversammlung mit Petition an den
Niederösterreichischen Landtag. Da die Wiener besitzenden Frauen kein Wahlrecht besassen, drohte
den Frauen der einzugemeindenden Vororte ihr Stimmrecht verloren zu gehen. Dies hatte den Beginn
der Frauenstimmrechtsbewegung in Österreich zur Folge.
Auch in Liechtenstein wurde in der 2. Hälfte des 19. Jh.s das Frauenstimmrecht auf Gemeindeebene
abgeschafft. Bis zum Erlass des Gemeindegesetzes von 1864 wurden die Ortsvorsteher durch die
,Haushaltungsvorstánde^ gewáhlt, was auch Frauen politisch berechtigte. In Bezug auf die
Alpgenossenschaften blieb diese hausväterliche Bestimmung bis heute erhalten. Es kam jedoch zu
keinen belegbaren Protesten bzw. zu keinem Beginn einer Frauenstimmrechtsbewegung, zumal das
Bildungsniveau zu jener Zeit in Liechtenstein noch sehr gering war. Erst ab 1870 durften Mädchen in
der Landesschule - eine Realschule - am Unterricht teilnehmen.
Nach dem 1. Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg, als mehrere europäische Länder das Frauenwahlrecht einführten, wurde
auch in der Schweiz das Frauenwahlrecht gefordert. Anders als in Österreich und Deutschland, wo die
Einführung des Frauenwahlrechtes auch mit dem Ende der Monarchie und der Ausrufung der
Republik in Zusammenhang gesehen werden muss, blieb die älteste Männerdemokratie der Welt das,
was sie war. Liechtenstein, das von 1852 bis 1919 einen Zollvertrag mit Osterreich-Ungarn hatte,
begann sich nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wirtschaftlich und politisch nach der
Schweiz auszurichten. 1918 setzten Männer für sich erstmals das „Allgemeine Wahlrecht“ durch und
es kam 1921 zu der in Liechtenstein heute noch gültigen Verfassung. 1993 erhielten auch die
Bestimmungen des Fürstlichen Hausgesetzes Verfassungsrang, das Frauen in Angelegenheiten des
Hausgesetzes vom Stimmrecht ausschliesst.
Die zwei Strömungen in der Schweizer Frauenstimmrechtsbewegung
In der schweizerischen Frauenstimmrechtsbewegung gab es zwei Strömungen: eine wollte das
Frauenstimmrecht „von oben herunter‘, die andere „von unten herauf“ einführen. Die Idee der kleinen
Schritte geht auf einen Mann zurück, der in der kleinsten Stadt der Schweiz, dem malerischen
Burgstädtchen Werdenberg, geboren wurde. Hier wurde 1833 im sog. „Roten Haus“, einem barocken
Strickbau, der Berner Staatsrechtler, christliche Moralphilosoph, Geschichtsforscher und
Frauenstimmrechtsbefürworter Carl Hilty geboren. Bezüglich des Vorgehens bei der Einführung des
Frauenstimmrechtes schrieb Carl Hilty 1897 einen auch im Ausland viel besprochenen Artikel über
das Frauenwahlrecht. Die Abhandlung erschien in dem von ihm herausgegebenen “Politischen
Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft“: „Unzweifelhaft aber ist, dass das Stimmrecht
und die Wählbarkeit in Schulsachen die erste Etappe des Frauenstimmrechtes sein muss und
damit in den Kantonen den Anfang gemacht werden sollte.“ Im Bericht des Bundesrates an die
Bundesversammlung vom 2. Februar 1951 „über das für die Einführung des Frauenstimmrechts
einzuschlagende Verfahren“ wurde Hiltys Argumentation anno 1897 gefolgt.
Und das war die sprichwörtliche Schweizer „Schnecke“ (SAFFA-Schnecke, 1928, Bern) der sich,
Jahrzehnte später, auch Liechtenstein anschloss.
Nach dem 2. Weltkrieg