5.7.1 Reformtorso ?
2011 wurde die geltende Fassung des Schulgesetzes’® besiegelt.
Diese kann als eine Art „Reformtorso“ bezeichnet werden. Die Beibehaltung der selektiven
Dreigliedrigkeit der Sekundarstufe 1 bedeutet die Fortsetzung des „Selektionsdrucks“ in der
Primarschule und auf ihre Lehrerinnen und Lehrer, die damit bis heute angehalten sind, eine
gesetzlich vorgegebene Zuteilungsquote einzuhalten: „a) Oberschule 28 %; b) Realschule 50
%; c) Gymnasium 22 96."5* Hinzu kommt, dass partielle Neuerungen — wie die strukturelle
und dienstrechtliche Aufwertung der Schulleitung, oder die Zusammenlegung von Primar-
schule und Kindergarten — umgesetzt wurden, ohne den argumentativen Überbau der ge-
meinsamen, binnendifferenzierten Profilschule. Dies dürfte die Berufszufriedenheit — insbe-
sondere der Primarschullehrkráfte nach wie vor beeinträchtigen. Auch die Lehrkräfte der
Oberschulen dürften mit der Beibehaltung ihres Schultyps als „unterste“ Kategorie der Drei-
gliedrigkeit vom „Reformtorso“ eher nicht begeistert sein.
Das — aus Sicht der Schulentwicklungsforschung natürlich legitime — Paradigma der Dezent-
ralisierung durch erhöhte Verlagerung der Steuerungsgewalt auf die Mesoebene des Schul-
standortes (vergleiche Kapitel 3.3.) wurde mit der im Hinblick auf den Ursprungsgedanken
völlig entschärften Gesetzesrevision trotzdem vorgenommen, obwohl Dezentralisierung und
Deregulierung — zumindest nach aussen — genau mit ,SPES 1" begründet wurden:
,An allen óffentlichen Schulen sollen Führungsstrukturen errichtet werden, welche geeignet
sind, dezentralisierte Kompetenzen wahrzunehmen sowie neu geschaffene Freiráume zu
nutzen. (....) Ohne Autonomie kónnen sich Schulen nicht aus eigener Kraft weiterentwickeln.
Soll ein Projekt wie SPES I (Schul- und Profilentwicklung auf der Sekundarstufe |) realisiert
werden, muss sich diese Erkenntnis im Schulgesetz niederschlagen. Sie soll sich dabei nicht
nur auf die Schulen der Sekundarstufe | beschränken, sondern für alle öffentlichen Schulen
gelten.“
Das nun ohne die grosse Strukturreform umgesetzte Modell der “geleiteten (Profil-) Schule” ®
beruht auf einer bewussten Abkehr vom traditionellen "Bottom-up"-Prinzip, was natürlich
auch Konsequenzen auf das bisherige traditionelle Setting der Mitwirkung von Lehrpersonen
im Schulentwicklungsprozess erwarten lásst. Der Mitwirkungs- und Organisationsgrad der
18? siehe Onlineverzeichnis 17
163 Verordnung über (...) den Übertritt auf der Sekundarstufe1*,LGBI 2001/140: ,Art. 4: Richtwerte:
Für die Zuweisung der Schüler sind folgende Richtwerte anzustreben:a)...." (Onlineverzeichnis 44)
184 Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die
Revision des Schulgesetzes, des Lehrerdienstgesetzes und des Subventionsgesetzes Insbesonde-
re zur Umsetzung der "Schul- und Profilentwicklung auf der Sekundarstufe | (SPES I)", Vaduz
2008. (Onlineverzeichnis 42)
165 Konzept: , Schulleitung im Fürstentum Liechtenstein" (Onlineverzeichnis 46).
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