Volltext: Berufszufriedenheit der Lehrpersonen im Fürstentum Liechtenstein im Fokus von Schulgeschichte und Schulentwicklung

5.1 MEILENSTEIN 1: DER BILDUNGSBERICHT DES REALLEHRERS, LEONHARD VOGT 
  
  
„Die Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen ist die wichtigste Vorausset- 
zung auf dem Weg zu einem modernen Sozialstaat." (Vogt 1970, S.28). 
  
Vor dem Hintergrund einer neuen Reformdiskussion wurde Ende der 60-er Jahre der Posten 
eines Delegierten für Bildungsfragen geschaffen und mit dem Reallehrer Leonhard Vogt be- 
setzt. Wie sehr die Lehrerinnen und Lehrer Liechtensteins schon in die Entstehung des Bil- 
dungsberichtes und damit des heutigen Schulgesetzes involviert waren, lässt sich bei Gra- 
ham Martin (184, S. 42 f) nachlesen. Er berichtet von einer Versammlung im Juni 1966, zu 
der der damalige ,Schulkommissár" (Prof. Ernst Nigg) alle Lehrerinnen und Lehrer eingela- 
den hatte, um einen ersten Gesetzesentwurf zu erórtern.''? Bereits drei Monate spáter wurde 
vom Landesschulrat eine Kommission für Bildungsplanung bestellt, die mit 15 Pádagoglnnen 
besetzt wurde. Später wurde diese Kommission in Kommission für Bildungsfragen umbe- 
nannt, mit Vertretern aus Wirtschaft und Kultur ergánzt und auf 59 Personen erweitert — un- 
ter dem Vorsitz von Leonhard Vogt. Vogt legte 1970 einen Bildungsbericht vor. Der im Origi- 
nal rund 300 A4-Seiten starke Bericht an die Regierung trágt den unmissverstándlichen Titel 
„Unsere Zukunftsaufgaben im Bildungswesen“ und ist datiert mit 12.6.1970 (Vogt 1970). 
Der Bildungsbericht lässt sich aus Sicht der Schulentwicklungsforschung bereits einer histo- 
rischen Kategorie der Schulentwicklungsparadigmen zuordnen: „Schulreform als Strukturre- 
form“ steht am Beginn von sieben bei Wenzel (2008) aufgezählten Paradigmen der Schulre- 
formbemühungen seit Beginn der 70er-Jahre bis zur Jahrtausendwende. Nach Wenzel 
herrschte bis in die 1970er Jahre „die Hoffnung, dass veränderte Schulstrukturen nicht nur 
zu mehr Chancengleichheit, sondern auch zu verändertem Unterricht führen“ (ebd. S. 423 f). 
Dieses Paradigma bildet sich im Bildungsbericht des Leonhard Vogt ab. Sein auf umfang- 
reichste Statistiken und Ländervergleiche aufbauendes Plädoyer für eine „Bildungsplanung“ 
(Vogt, 1970, S.33) mit zahlreichen Vorschlágen für Strukturveránderungen giesst er in die 
Formulierung und Begründung von 25 ,Zielwerten" (ebd., S.279 ff).'!? 
Einige dieser Zielsetzungen beinhalteten deutliche Erleichterungen für den Lehrberuf: z.B. 
die „Festlegung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 bis 30" (Ziel 2, 3 und 22), die Forde- 
rung nach ,besonders geringen Klassenstárken in den weiterführenden Schulen" (Ziel 15) 
besondere ,Einrichtungen und Massnahmen für besonders leistungsschwache Kinder* (Hilfs- 
und Sonderschule, Schularzt, Schulpsychologischer Dienst, Legasthenietherapie; Ziele 4- 
11), oder ,bauliche Massnahmen für differenzierten Unterricht" (Ziel 16). 
  
112 Aus dem Blickwinkel der Schulentwicklungsforschung ist dieses Bild auch durchaus kompatibel mit 
dem in der Literatur kolportierten ,Bottom up“ — Prinzip, welches die Schulentwicklungsprozesse 
der ,post-68er- Jahre" dominiert habe (vergl. Huber 2011, S. 75). 
113 |m Anhang 6 befindet sich die Auflistung aller 25 Zielwerte (Faksimile aus Vogt 1970). 
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