4.5.6 Spannungsfeld Gendergerechtigkeit
Dass der Anteil weiblicher Lehrpersonen wächst, mag sich aus Art. 48 ableiten lassen:
„Wenn Knaben und Mädchen getrennt unterrichtet werden, sollen in der Regel Knaben von
Lehrern, Mädchen von Lehrerinnen den Unterricht erhalten“ (Art. 48). Die gendergerechte
Diktion „Lehrpersonen“ statt wie bisher „Lehrer“ mag auch als Indiz dafür herhalten, dass
dem weiblichen Geschlecht zumindest im Schulwesen mehr Achtung gezollt wurde.® Etwas
weniger euphorisch darf — mit heutigen Massstáben — zur Kenntnis genommen werden, dass
hóhere Positionen wiederum nicht geschlechtsneutral formuliert wurden — und von Frauen
auch vermutlich nicht besetzt werden konnten — z.B. , Schulschriftführer", .Lokalschulinspek-
tor", ,Schulkommissar' ...
4.5.7 Spannungsfeld Anstellungssicherheit. ein langer Weg zum ,definitiven" Status
Das Zugestàndnis weiterer Rechte und Sicherheiten mag eine generell erhóhte Wertschát-
zung des Lehrberufes belegen. Bestimmungen zu den Unterkapiteln Anstellung, Dienst-
pflicht, Entschádigung, Disziplinargewalt, Disziplinarverfahren und Fortbildung (,Schulkonfe-
renzen") prágen den 3. Abschnitt des Gesetzes über die Lehrpersonen (Art. 103 bis 143).
Andererseits gab es auch Schattenseiten für die Berufszufriedenheit: Die Phase der ,provi-
sorischen Anstellung"*? dürfte damals — wie heute — für Lehrerinnen und Lehrer sehr ange-
spannt verlaufen sein: Nicht nur, dass ,die Dauer der provisorischen Anstellung erstreckt"
werden durfte, konnte „die provisorisch angestellte Lehrperson (...) bei sich ergebenden
Gründen zur Unzufriedenheit über Verhalten und Amtsführung (...) jederzeit von Dienste
entlassen werden“ (Art. 107/ 4). Zudem musste man zur Erlangung der „definitiven Anstel-
lung" (Art. 108) eine zusätzliche „Lehrbefähigungsprüfung“ ablegen, die von einer vom Lan-
desschulrat bestellten Prüfungskommission durchgeführt wurde (Art. 109). Als wäre das
nicht genug, bestimmte Art. 109 auch, dass „...der Landesschulrat Lehrpersonen auch nach
abgelegter Lehrbefähigungsprüfung einer entsprechenden Prüfung unterziehen“ konnte.
Es lasteten also mehrere Damoklesschwerter über den ,provisorisch" angestellten Lehrper-
sonen. Erst wenn das ,definitive" Dienstverháltnis endlich erreicht war, durfte man sich in
relativer Sicherheit wiegen: ,Definitiv angestellte Lehrpersonen haben Anspruch auf dauern-
de Verwendung im Schuldienste und kónnen nicht ohne vorheriges Disziplinarverfahren vom
Dienste entlassen werden" (Art. 108/2). Gleichzeitig konnte man von weiteren kleinen Vortei-
len profitieren — dazu gehörte etwa der , Anspruch auf Entschádigung der Übersiedlungskos-
ter für den Fall einer administrativ notwendigen Versetzung (Art. 111).
?8An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass in Liechtenstein erst 1984 das Frauen-
stimmrecht eingeführt wurde.
?9Die ,provisorische Anstellung" ist bis heute üblich. Gemáss der aktuellen Fassung des Lehrerdienst-
gesetzes, LGBI 2004/4, Art. 12, dauert es allerdings heute sogar drei Jahre. (Siehe Onlineverzeich-
nis 18)
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