Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Konstitutionelle Verfassung von 1862 
stände. Er wurde aber letztlich in der Fassung des Fürsten angenommen. 
Peter Geiger meint denn auch, dass der Fürst allein die Verfassung gege- 
ben habe. Er habe den pouvoir constituant, die verfassunggebende 
Gewalt, beansprucht. Die Zustimmung der Landstände zur Verfassung 
deutet er dementsprechend «weniger als Legitimation denn als ein(en) 
zusätzliche(n) Gnadenbeweis gegenüber dem Volk».?!° Der Sache nach 
stellt die Verfassung eine Konzession an die Landstände dar. Sie kann 
auch als «Zutat eines geläuterten monarchischen Prinzips» verstanden 
werden, «das den Verfassungsoktroi nicht mehr als zeitgemäss ansah».2!7 
Jedenfalls versucht die Verfassung, den Fürsten nach wie vor als unein- 
geschränkten Inhaber der Staatsgewalt zu verstehen.?!® Letztlich hat er 
bestimmt, welche Befugnisse dem Landtag zugestanden und wie sie ihm 
zugestanden wurden. So hat Fürst Alois II. schon am 7. März 1849 die 
Konstitutionellen Übergangsbestimmungen erlassen und sie im Reakti- 
onserlass vom 20. Juli 1852 wieder zurückgenommen. Dies waren ohne 
Zweifel einseitige Akte des Fürsten. Er war noch «im vollen Besitz des 
pouvoir constituant».?!? Fürst Johann II. gibt im Zusammenhang mit der 
Sanktionierung der Konstitutionellen Verfassung zu verstehen, dass er 
sich nun in der Lage sieht, «der künftigen Landesvertretung eine grös- 
sere Einflussnahme auf die Gesetzgebung und auf die innere Verwaltung 
des Fürstenthumes zuzuerkennen». 
Im Schrifttum wird auch die Auffassung vertreten, dass die Kon- 
stitutionelle Verfassung auf «vertragsgemässem Wege» zustande gekom- 
216 Peter Geiger, Geschichte, S. 287 f.; vgl. auch S. 269 und 302 Fn. 56. 
217 Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. V, S. 359. 
218 $2KV 1862 lässt keinen Zweifel daran, dass alle Rechte der Staatsgewalt in der Per- 
son des Landesfürsten vereinigt sind. So könnte man mit Christian Waldhoff, Ent- 
stehung des Verfassungsgesetzes, S. 322 Rz. 30 sagen, dass der «äusserlich vertrag- 
liche Charakter» nur mühsam die realen Machtverhältnisse kaschierte. Vgl. auch 
Klaus von Beyme, Die verfassunggebende Gewalt, S. 26, der festhält, dass die 
oktroyierte Verfassung als die «einzige Art der Verfassunggebung» galt, «die mit 
dem monarchischen Prinzip vereinbar war». $ 2 KV 1862 unterscheidet in Anleh- 
nung an Art. 57 WSA zwischen Inhaberschaft und Ausübung der Staatsgewalt. Ste- 
fan Korioth, «Monarchisches Prinzip», S. 29 nennt diese Aufspaltung von Substanz 
und Ausübung der Staatsgewalt eine «kryptische Staatsformel», die verschiedene 
Deutungen des Verhältnisses von alten und neuen Kräften, von monarchischer und 
demokratischer Legitimation, zuliess. Diese Unterscheidung wurde notwendig, um 
sich gegenüber den Rechten der Volksvertretung abzugrenzen. 
219 Peter Geiger, Geschichte, S. 123. 
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