Begriff des Konstitutionalismus
II. Erscheinungsformen
Das Verfassungsmodell des monarchischen Konstitutionalismus tritt in
unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Je nachdem, wie die Ein-
flusspositionen verteilt sind, handelt es sich um eine konstitutionelle
Monarchie mit dominierendem Parlament oder um eine konstitutionelle
Monarchie mit Vorrang des Monarchen oder um eine «napoleonische
Variante». 185 In dieser dualistischen oder zweipoligen Konstellation war
das Rollenverständnis von Monarch und Volksvertretung von besonde-
rer Bedeutung.!®% Von ihrem Verhalten hing es ab, ob sich ein solches
«Kompromissgefüge»!? auf Dauer halten konnte. Dieses dualistische
Kräfteverhältnis erweist sich nämlich nicht als statisch, sondern als «ver-
änderlich und entwicklungsoffen».!® Die Staatspraxis hat in den einzel-
nen europäischen Staaten eine grosse «Vielfalt» und einen «Alternati-
venreichtum» an Musterbeispielen dieser verfassungsrechtlichen Grund-
verteilung zwischen Monarchie und Volksvertretung hervorgebracht.!®
Der dualistisch geprägte monarchische Konstitutionalismus war im
19. Jahrhundert der dominierende Typ des europäischen Verfassungs-
staates.1®
III. Systemfrage
Die verfassungsmässige Aufteilung der Macht im Staat macht es not-
wendig, dass die beiden Hauptakteure, Fürst und Volksvertretung
(Landtag) kooperieren. Fehlt diese Bereitschaft, kommt das Verfas-
sungsleben zum Stillstand. Es wurde denn auch schon gesagt, dass eine
solche zweipolige Verfassungskonstruktion eine «prekäre Staatsform»
185 Hans-Christof Kraus, Monarchischer Konstitutionalismus, S. 600 mit Verweis auf
Martin Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, S. 65 und 66 f.; vgl. auch
Rainer Wahl, Der Konstitutionalismus als Bewegungsgeschichte, S. 576.
186 Rainer Wahl, Der Konstitutionalismus als Bewegungsgeschichte, S. 576.
187 Rainer Wahl, Der Konstitutionalismus als Bewegungsgeschichte, S. 578.
188 Rainer Wahl, Der Konstitutionalismus als Bewegungsgeschichte, S. 573.
189 Rainer Wahl, Der Konstitutionalismus als Bewegungsgeschichte, S. 576; vgl. auch
Martin Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, S. 386 f.
190 Martin Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, S. 409 und ders.,Ver-
fassungsrechtlicher Rahmen und politische Praxis, S. 69 f.
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