Europäischer Gerichtshof und EFTA-Gerichtshof
sigkeit, wobei das EWR-Recht nicht gegen «Grundprinzipien und
Kerngehalte der Grundrechte der Landesverfassung verstossen darf».
Ebenso überprüft der Staatsgerichtshof die Rechtsprechung des EFTA-
Gerichtshofs nicht.
Der Staatsgerichtshof respektiert die Auslegungskompetenz des
EFTA-Gerichtshofs, die mit dem Vorrang des EWR-Rechts verbunden
ist.55 Er orientiert sich auch an der Rechtsprechung des EFTA-Gerichts-
hofs oder des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH),
wenn er innerstaatliches Recht am EWR-Recht zu beurteilen hat. Er
kann im Zweifelsfalle die Rechtssache auch dem EFTA-Gerichtshof zur
Vorabentscheidung vorlegen. Der Vorrang des EWR-Rechts schränkt
insoweit die Prüfungskompetenz des Staatsgerichtshofs ein.
b) Imnnerstaatliches Normenkontrollverfahren
Holt ein Gericht, insbesondere bei «kontroversen Fällen», in einem bei
ihm anhängigen Verfahren beim EFTA-Gerichtshof ein Gutachten ein
und stellt dieses eine EWR-Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen
Norm fest, so hat das Gericht von Gesetzes wegen beim Staatsgerichts-
hof einen Normenkontrollantrag zu stellen. Es hat nämlich, wenn ihm
ein Gesetz oder einzelne seiner Bestimmungen ın einem bei ihm anhän-
gigen Verfahren als verfassungswidrig «erscheint», einen solchen Antrag
zu unterbreiten. Das Gutachten des EFTA-Gerichtshofs verschafft dem
Gericht die Gewissheit der EWR-Rechtswidrigkeit der innerstaatlichen
Norm. Die EWR-Rechtswidrigkeit entspricht der Verfassungswidrig-
das EWR-Recht die Grundrechte und insbesondere auch die Europäische Men-
schenrechtskonvention anerkennen, wird dieser Konfliktfall in der Praxis kaum ein-
mal auftreten».
565 Nach StGH 2011/200, Urteil vom 7. Februar 2012, Erw. 3.1 (im Internet abrufbar
unter: <www.gerichtsentscheide.li>) setzt der vom EWR-Abkommen bezweckte
homogene Wirtschaftsraum die einheitliche Durchsetzung des EWR-Rechts in den
Vertragsstaaten voraus. Zum Vorrang des EWR-Rechts hält der Staatsgerichtshof
fest, dass dieser «nun aber zwangsläufig nicht nur den Vorrang des positiv normier-
ten EWR-Rechts, sondern auch von dessen Auslegung durch den EFTA-Gerichts-
hof beinhaltet. Demnach hat der Staatsgerichtshof konsequenterweise in der Regel
auch die Verfassungskonformität der Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofes
nicht zu überprüfen.»
566 Vgl. Vorlage (Antrag) des Staatsgerichtshofs in: SYGH 2013/44, Urteil vom 16. De-
zember 2014 (Casino-Fall) und dazu das Gutachten des EFTA-Gerichtshofs vom
29. August 2014 in der Rechtssache E-24/13.
704