Staatsgerichtshof und EFTA-Gerichtshof
III. Gutachten des EFTA-Gerichtshofs und verfassungs-
gerichtliche Normenkontrolle
1. Ausgangslage
Der Staatsgerichtshof hebt innerstaatliche Rechtsvorschriften, Gesetze
und Verordnungen, auf, wenn sie mit dem EWR-Recht unvereinbar
sind. Dies entspricht seiner Funktion als Verfassungsgerichtshof im ver-
fassungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren. So hat er in StGH
2006/94 die ZPO-Regelung der aktorischen Kaution als «EWR-rechts-
bzw. verfassungswidrig» kassiert.
Der EFTA-Gerichtshof gibt gemäss Art. 34 UGA gutachtliche
Stellungnahmen über die Auslegung des EWR-Rechts ab, wenn ihn ein
nationales Gericht um die Auslegung des EWR-Rechts ersucht.!
2. Gutachten bzw. «Vorabentscheidung» des EFTA-Gerichtshofes
a) Vorlageverfahren
Die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten sind berechtigt, nicht
jedoch verpflichtet, beim EFTA-Gerichtshof Gutachten zu Fragen der
Auslegung des EWR-Rechts einzuholen. Das Gutachtenersuchen ist
zwar dem Vorabentscheidungsverfahren des EuGH nachgebildet.2 Es
lässt sich indes Art. 34 UGA keine Vorlagepflicht entnehmen, sodass die
nationalen Gerichte davon ausgehen, dass es ihnen frei steht, ein Gut-
achtenersuchen an den EFTA-Gerichtshof zu stellen. Diese Auffas-
550 StGH 2006/94, Urteil vom 30. Juni 2008, Erw. 2 und 3 (im Internet abrufbar unter:
<www.stgh.li>); vgl. auch SEGH 2007/70, Urteil vom 30. Juni 2008, Erw. 4.3 (im In-
ternet abrufbar unter: <www.stgh.li>).
551 Vgl. Carl Baudenbacher, Das Verhältnis des EFTA-Gerichtshofs zum Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften, S. 85; ders., Grundfreiheiten und Grundrechte,
$. 785 Rz. 11.
552 Siehe Art. 243 EGV und dazu Halvard Haukeland Fredriksen, Europäische Vorla-
geverfahren, S. 4.
553 Vgl. Carl Baudenbacher, Das Verhältnis des EFTA-Gerichtshofs zum Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften, S. 85. Er spricht in diesem Zusammenhang
von «Unzulänglichkeiten» des Vorlageverfahrens. Vgl. auch Andreas Batliner, Die
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