Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Europäischer Gerichtshof und EFTA-Gerichtshof 
kraft. Darüber hinaus binden sie alle Behörden des Landes und der 
Gemeinden sowie alle Gerichte. In den Normenkontrollverfahren hat 
der Spruch der Entscheidung eine allgemein verbindliche Wirkung.®@2 
Die Entscheidungen des EGMR sind verbindliche und unanfecht- 
bare Feststellungsurteile, d. h. sie entscheiden die Streitigkeiten zwischen 
den Parteien, ob ein Staat die Konvention verletzt hat. Sie haben demzu- 
folge «individuelle Wirkung»* bzw. werden «formell rechtskräftig» 
und haben keine Bindungswirkung, die über den konkret entschiedenen 
Fall hinausreicht. Zwischen den Sachentscheidungen des Staatsgerichts- 
hofes und denen des EGMR besteht ein «grundlegender struktureller 
Unterschied», wenn man die Verbindlichkeit in Betracht zieht.” Eine 
dem Art. 54 SEGHG vergleichbare Norm kennt die EMRK nicht. 
Wie sich die Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidun- 
gen des EGMR innerstaatlich auswirkt, überlässt Art. 46 EMRK den 
Mitgliedstaaten. Sie legt lediglich fest, dass sich die Hohen Vertragspar- 
teien verpflichten, «in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das 
endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen».% Insofern verhält sich 
die EMRK «grundsätzlich indifferent zur innerstaatlichen Rechtsord- 
nung und soll anders als das Recht einer supranationalen Organisation 
nicht in die staatliche Rechtsordnung unmittelbar eingreifen».5” Es fehlt 
dem Gerichtshof die Kompetenz, staatliche Akte von Konventionsstaa- 
  
502 Vgl. Art. 50 und 54 StGHG und dazu Tobias Michael Wille, Verfassungsprozess- 
recht, S. 808 ff. und 811 ff. sowie S. 840 ff. Siehe auch schon vorne S. 653 f. 
503 Siehe Art. 46 Abs. 1 und Andreas Kley, Staatsgerichtshof und übrige einzelstaatliche 
Rechtsprechungsorgane, S. 54. 
504 StGH 2006/111, Urteil vom 3. Juli 2007, Erw. 4.1 (im Internet abrufbar unter: 
<www.stgh.li>). So auch Hans-Joachim Cremer, Entscheidungen und Entschei- 
dungswirkung, S. 2074 f. Rz. 49, der im Sinne von Art. 37 Abs. 2 EMRK die Unan- 
fechtbarkeit und Unabänderlichkeit als «formelle Rechtskraft» bezeichnet, sodass 
die Parteien des Verfahrens die entschiedene «Sache» nicht erneut zum Gegenstand 
eines Überprüfungsverfahrens machen können. 
505 Hans-Joachim Cremer, Entscheidungen und Entscheidungswirkung, S. 2118 f. 
Rz. 111. 
506 Das heisst, dass die Entscheidungen des EGMR auch in materielle Rechtskraft 
erwachsen. Zur formellen und materiellen Rechtskraft siehe Hugo Vogt, Innerstaat- 
liche Durchsetzung, S. 79 ff. mit weiteren Literaturhinweisen; vgl. auch Alexander 
Proelss, Bundesverfassungsgericht, S. 116 ff. 
507 StGH 2006/111, Urteil vom 3. Juli 2007, Erw. 4.2 unter Bezugnahme auf BVerfGE, 
Beschluss vom 14.10.2004, in: NJW 47/2004, S. 3407 ff. (3409/I. 2d) (im Internet 
abrufbar unter: <www.stgh.li>). 
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