Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Wahl und Organisation des Staatsgerichtshofes 
juristische Ausbildung voraus.” Es handelt sich nach Otto Ludwig Mar- 
xer, der auf die Entstehungsgeschichte Bezug nimmt, um einen «weiten 
Begriff». Es sei «mit Absicht» «eine steife, engere Forderung (z. B. eines 
juridischen Doktorates oder einschlägiger Staatsprüfung) vermieden» 
worden, «so dass jeder, der nach Ansicht des Landtages <rechtskundig> 
ist, also eventuell auch ein Autodidakt oder eine Person, die in der 
Staatspraxis Gesetzeskenntnis bewiesen hat, dieser Forderung Genüge 
leistet.»1% Dieses Begriffsverständnis erklärt sich aus der damaligen per- 
sonellen Ressourcenknappheit. Geeignete bzw. qualifizierte Persönlich- 
keiten liessen sich insbesondere aufgrund der Nationalitätsvorschrift!9! 
für den Staatsgerichtshof nicht leicht rekrutieren. 
Die Rechtskundigkeit als Qualifikationserfordernis hat auch Ein- 
gang in die Verfassungsnovelle und das Staatsgerichtshofgesetz aus dem 
Jahre 2003 gefunden. Es ist unverändert und kommentarlos tradiert 
worden, obwohl schon der Staatsgerichtshof in seinem Gutachten vom 
18. Juli 1954 die «mangelnde gesetzliche Definition» kritisiert und 
darauf hingewiesen hat, es obliege der Gesetzgebung, «diesem Mangel 
abzuhelfen». Geht man von den fachlichen Anforderungen, dem Anfor- 
derungsprofil, aus, die die Verfassung und das Staatsgerichtshofgesetz 
heute an einen Richter stellen, muss man sich fragen, ob sie der Stellung 
und Bedeutung des Staatsgerichtshofes gerecht werden.!® Daran ändert 
auch die Tatsache nichts, dass in jüngerer Zeit gemäss Staatspraxis Voll- 
juristen in den Staatsgerichtshof bestellt werden, die imstande sind, das 
Richteramt sachentsprechend auszuüben. Der Staatsgerichtshof ist das 
höchste Rechtsprechungsorgan in Verfassungsfragen. Seine Aufgaben 
sind juristischer Natur.!® 
99 So der Staatsgerichtshof in seinem Gutachten vom 18. Juli 1953, ELG 1947 bis 1954, 
5.274 ff. 
100 Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane, S. 88. 
101 Siehe Art. 105 LV 1921 und dazu Otto Ludwig Marxer, Die Organisation der obers- 
ten Staatsorgane, S. 87 f. 
102 So muss nach geltender Rechtslage nicht einmal der Präsident des Staatsgerichtsho- 
fes rechtskundig sein. Siehe dazu Art. 105 i. V. m. Art. 102 Abs. 1 LV 2003. Otto 
Ludwig Marxer, Die Organisation der obersten Staatsorgane, S. 88 kritisierte schon 
1924 eine solche Regelung. Siehe zum Vergleich der Qualifikationsanforderungen 
an Verfassungsrichter Art. 147 Abs. 3 B-VG und $ 3 BVerfGG. 
103 Vgl. Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 360 zu den ursprünglichen Entwürfen in 
Bezug auf die deutschen Verfassungsrichter. Der Staatsgerichtshof hat in StGH 
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