Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Die einzelnen politischen Rechte 
Gesetzesinitiativen, die mit der EMRK nicht übereinstimmen, die für sie 
wie die Verfassung den Prüfungsmassstab bildet, sind vom Landtag bzw. 
vom Staatsgerichtshof für nichtig zu erklären.!® 
Auch das EWR-Recht,?® das landesinternem Recht vorgeht, bzw. 
die EWR-Grundrechte werden den verfassungsmässig gewährleisteten 
Rechten gleichgesetzt. Der Staatsgerichtshof betrachtet sie als «materiel- 
les Verfassungsrecht» und zieht sie im Individualbeschwerde- und Nor- 
menkontrollverfahren als Prüfungsmassstab heran.2°! Er hebt innerstaat- 
liche Rechtsvorschriften auf, wenn er feststellt, dass sie mit dem EWR- 
Recht unvereinbar sind. Das Gleiche gilt auch für Gesetzesinitiativen. 
Widersprechen sie dem EWR-Recht, sind sie vom Landtag bzw. dem 
Staatsgerichtshof für nichtig zu erklären. 
Zur Verfassungsinitiative werden im Schrifttum unterschiedliche 
Positionen vertreten. Einerseits wird zwischen primärem und sekundä- 
rem EWR-Recht unterschieden und argumentiert, dass nur das primäre 
EWR-Recht, also das EWR-Abkommen, «zwingenden Vorrang 
geniesst», sodass Verfassungsinitiativen, die das EWR-Abkommen ver- 
letzen, unzulässig sind. Verstosse dagegen eine Verfassungsinitiative 
gegen sekundäres EWR-Recht, gehe dieses nicht in jedem Fall vor. Es 
gelte vielmehr, eine Güterabwägung vorzunehmen.?? Andererseits wird 
sowohl dem EWR-Abkommen als auch dem darauf abgestützten Sekun- 
därrecht «Überverfassungsrang» zugeschrieben,?®3 sodass Verfassungs- 
initiativen, die sich mit dem EWR-Recht in diesem erweiterten Sinne 
199 Siehe Art. 70b Abs. 1 und 2 VRG. 
200 Zum Begriff siehe Herbert Wille, Das Abkommen über den Europäischen Wirt- 
schaftsraum, S. 112 f. und Peter Bussjäger, Rechtsfragen, S. 140. 
201 Vgl. Herbert Wille, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, 
S. 126 f. und StGH 2003/16, Urteil vom 3. Mai 2004, nicht veröffentlicht, S. 4; SIGH 
2004/45, Urteil vom 29. November 2004, S. 12 ff. Erw. 2.1 und 2.2 (im Internet 
abrufbar unter: <www.stgh.li>). 
202 Vgl. Bernhard Ehrenzeller / Rafael Brägger, Politische Rechte, S. 660 f. Rz. 46 und 
47. Sie verstehen unter dem sekundären EWR-Recht «abgeleitetes Recht, das im 
Zeitpunkt der Volksabstimmung nur beschränkt voraussehbar war und zu dem das 
Stimmvolk keine Stellung nehmen konnte». Sie verweisen zur Rechtsnatur des 
sekundären EWR-Rechts auf BuA Nr. 95/2003 der Regierung vom 4. November 
2003, S. 37 f. und auf Wilfried Hoop, Auswärtige Gewalt, S. 250 ff. 
203 Vgl. etwa Wilfried Hoop, Auswärtige Gewalt, S. 305 und Martin Batliner, Politische 
Volksrechte, 5. 166. 
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